: Wenn es vielleicht doch zu viel des Guten ist
Schrecklich mühsam bewegt sich der ältere Mann im Rollstuhl morgens durch den engen Gang zwischen den Sitzen in der U-Bahn. Zentimeter für Zentimeter kämpft er sich voran, indem er sich mit einem Fuß nach vorn zieht. Immer wieder stoppt er ein paar Sekunden und lässt den Kopf hängen, als wäre er erschöpft. In seiner rechten Hand hält er ganz schief einen Kaffeebecher. Ein bisschen ungepflegt sieht er aus.
Eine Frau gegenüber blickt immer wieder von ihrem Handy hoch und sieht den Mann an. Irgendwann kramt sie ihr Portemonnaie heraus und wirft eine Münze in den Becher. „Ach“, sagt der Mann leise, ohne sie anzusehen, sonst nichts. Dann holt auch meine Begleiterin eine Zwei-Euro-Münze heraus und als der Mann wieder eine Pause macht, wirft auch sie das Geldstück in den Becher. „Platsch“ macht es diesmal, und wir sehen uns an. Dann erst begreifen wir, dass der Becher voller Kaffee ist. Der Mann hat es wohl gar nicht gemerkt, und die Frau gegenüber schaut längst wieder auf ihr Handy. Niemand sagt etwas.
Der U-Bahnhof Kellinghusenstraße
ist mit 80.000 täglichen Umsteiger:innen ein Knotenpunkt im Hamburger U-Bahn-Netz im Stadtteil Eppendorf. Der Bahnhof im Stil des Historismus ist mit Steinreliefs von Johann Michael Bossard verziert.
Ein paar Meter weiter schleppt sich der Mann auf einen Stuhl und nimmt einen Schluck aus dem Becher. Robert Matthies
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