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Archiv-Artikel

Kunst im Sublokalen

FRAUENMUSEUM Mit der Ausstellung Heim_Spiel wollen die beiden Organisatorinnen Berliner Künstlerinnen fördern. Für ihr Anliegen sind sie auf Spenden und die Bezirke angewiesen

Künstlerinnen in Berlin

■ Aus dem aktuellen Bericht der Künstlerinnenförderung des Senats geht hervor, dass das Einkommen von Künstlerinnen in Berlin durchschnittlich 17 Prozent unter dem eines Künstlers liegt. Diese Zahl bezieht sich auf Daten der Künstlersozialkasse, über mögliche Gründe dieser Differenz gibt der Bericht keine Auskunft. In Kultureinrichtungen, die vom Land Berlin mit mehr als einer Million Euro jährlich unterstützt werden, liegt der Anteil von Frauen in der Führungsebene bei 16 Prozent. An den Kunsthochschulen ist der Frauenanteil höher: Rund 59 Prozent der Studierenden sind weiblich.

■ Die Ausstellung Heim_Spiel läuft bis zum 11. Mai, werktags von 10 bis 18 Uhr.www.frauenmuseum.de

VON MALENE GÜRGEN

Als sie das Wort Frauenmuseum zum ersten Mal gehört hat, habe sie gestutzt, sagt Jutta Kaddatz. „Ist denn so etwas überhaupt noch zeitgemäß, sind Frauen und Männer im Kulturbetrieb nicht längst gleichgestellt?“, fragt die CDU-Stadträtin aus Tempelhof-Schöneberg in ihrer Rede zur Eröffnung der Ausstellung Heim_Spiel, die vom Frauenmuseum organisiert wird.

Für Rachel Kohn und Julie August, die beiden Leiterinnen des Frauenmuseums, ist die Antwort ganz einfach: Nein, Frauen seien im Kunstbetrieb immer noch stark unterrepräsentiert und bräuchten daher eine besondere Förderung, sagt Kohn. „Wir sind keine Männerhasserinnen“, betont August – in erster Linie zähle natürlich die künstlerische Qualität eines Werks und nicht, ob es von einem Mann oder einer Frau geschaffen wurde. Dennoch haben sich die beiden Frauen vorgenommen, gezielt Künstlerinnen zu fördern, zu vernetzen und dem Berliner Publikum näherzubringen.

So auch in der Ausstellung Heim_Spiel, die seit Freitag in der Galerie im Rathaus Tempelhof gezeigt wird. Zwölf Künstlerinnen aus dem Bezirk zeigen hier ihre Interpretationen und Assoziationen rund um den Begriff „Heim“ – ein traditionell den Frauen zugeordneter Bereich. Anke Eilergerhard verfremdet Küchengegenstände zu Kunstobjekten, Ev Pommer baut aus Zweigen ein fragiles Nest, in Karina Pospiechs Handyfilm kommen Menschen zu Wort, deren Heim die Straße ist, und Nora Fuchs beschäftigt sich in einer Soundinstallation mit der fehlenden Geborgenheit eines Hotelzimmers.

Das Frauenmuseum selbst ist eigentlich heimatlos – oder eben in der ganzen Stadt angesiedelt: Es hat keinen festen Ausstellungsort, sondern ist darauf angewiesen, dass Kooperationspartner Räume zur Verfügung stellen. Die beiden Frauen leiten den Verein ehrenamtlich in ihrer Freizeit, finanziert wird die Arbeit ausschließlich aus Spenden und Beiträgen der Mitglieder.

In den 90er Jahren entstand das Frauenmuseum zunächst aus der Initiative einiger Frauen aus der SPD, die sich vorgenommen hatten, Frauen aus der Berliner Stadtgeschichte einem größeren Publikum nahezubringen. Als Rachel Kohn dazu kam, war für sie schnell klar, dass dieses Konzept angesichts der sehr begrenzten Mittel nicht umsetzbar sei, erzählt die 49-jährige Künstlerin energisch. „Für historische, didaktisch aufgebaute Ausstellungen fehlt uns schlichtweg das Geld“, sagt sie. Also gab Kohn, die schnell im Vorstand des Vereins saß, dem Frauenmuseum ein anderes Gesicht: Statt historische Persönlichkeiten aufzubereiten, organisiert es nun Ausstellungen von Künstlerinnen, die momentan in Berlin leben und arbeiten.

Seit 2005 findet zweimal im Jahr eine Ausstellung in der Kommunalen Galerie in Wilmersdorf statt, mit einem besonderen Konzept: Für jede Ausstellung werden zwei Künstlerinnen ausgewählt, die sich vorher nicht kannten und nun zusammen einen Raum bespielen sollen. Künstlerinnen, die sich thematisch gut ergänzen oder auch widersprechen, oft auch aus unterschiedlichen Generationen, werden so zusammengebracht, auch um voneinander zu lernen. „So entstehen Synergieeffekte und Vernetzungsmöglichkeiten“, erklärt Kohn das Vorgehen.

Von Julie August kam der Impuls, das Frauenmuseum auch über diese halbjährlichen Ausstellungen hinaus in der Stadt sichtbar werden zu lassen. Die Grafikdesignerin arbeitete bis vor Kurzem beim Verlag Klaus Wagenbach und organisiert vielbeachtete Ausstellungen in ihrer eigenen Wohnung, die zugleich Galerie ist. 2009 besuchte sie eine vom Frauenmuseum organisierte Ausstellung, die ihr so gut gefiel, dass sie danach mit den Macherinnen ins Gespräch kam. Schnell begeisterte sich August für den Verein, seit letztem Herbst sitzt sie mit im Vorstand. Ihr und Kohn ist anzumerken, dass sie mittlerweile ein eingespieltes Team sind, mit gegenseitigem Respekt vor den Fähigkeiten der anderen.

Aus der Idee, präsenter zu werden und mehr Künstlerinnen in der Stadt zu erreichen, entwickelten beide das Konzept, die Ausstellungsreihe Heim_Spiel über Jahre hinweg nacheinander in jedem Berliner Bezirk gastieren zu lassen. Für die jeweilige Ausstellung können sich nur im Bezirk ansässige Künstlerinnen bewerben, für die aus der Ausstellung dann tatsächlich ein Heimspiel wird.

In erster Linie zähle natürlich die künstlerische Qualität eines Werks und nicht, ob es von einem Mann oder einer Frau geschaffen wurde

Den Auftakt macht die Ausstellung in der kommunalen Galerie Tempelhof-Schöneberg. Das Frauenmuseum ist nun auf der Suche nach weiteren Partnern in den Bezirken, „am liebsten wollen wir als nächstes in den Ostteil der Stadt“, sagt Kohn, die Marzahn-Hellersdorf ins Auge gefasst hat. In Tempelhof-Schöneberg habe es eine „wunderbare Kooperation“ gegeben, so Kohn, die Unterstützung aus dem Rathaus habe bei der Umsetzung des Projekts sehr geholfen.

Die Ausstellungseröffnung ist gut besucht, die Leute – übrigens auch viele Männer – drängen sich um die Werke. Kurz bevor es losgeht, wirken Kohn und August angespannt. Ein halbes Jahr haben sie auf diesen Abend hingearbeitet, die Künstlerinnen ausgewählt, die Ausstellung konzipiert, einen Katalog gestaltet, Einladungen und Pressemitteilungen verschickt.

Etwa fünfzig Künstlerinnen hatten sich für die Ausstellung beworben. In der vierköpfigen Auswahljury saß mit Marc Wellmann vom Kolbe-Museum auch ein Mann – hauptsächlich natürlich wegen seines künstlerischen Verstands, aber auch, „damit uns keiner den Vorwurf machen kann, hier würden nur die Frauen zusammenglucken“, sagt August lachend.

Die ganze Arbeit sei nur mit „sehr guter Organisation und vielen Nachtschichten“ zu schaffen, sagt sie. Trotz der manchmal hohen Belastung wollen die Organisatorinnen mit ihrem Konzept dazu beitragen, dass „es den Künstlerinnen in Berlin besser geht“, so Kohn. Ihr größter Traum: ein eigenes Haus, das sie dauerhaft nutzen können, ein echtes Frauenmuseum eben. „Das können wir selbst natürlich nicht finanzieren“, sagt sie, „aber wer weiß: Vielleicht kriegen wir ja irgendwann Unterstützung von der Stadt für unser Projekt.“