Andreas Rüttenauer : Lebenslänglich Bayer: Ein Rest von Liebe
Viel ist er nicht mehr wert, der einst legendäre Rudolph Moshammer. 26,50 Euro kostet das originale Sterbebildchen, das bei der Beerdigung des schrillen Krawattenverkäufers mit der schwarzen Riesenperücke vor 20 Jahren an die Trauernden verteilt worden ist, bei den einschlägigen Kramportalen im Netz. Wenn man der Berichterstattung der Boulevardmedien aus jenem Jahr glauben mag, waren es 15.000 Menschen, die vor der Allerheiligen-Hofkirche der Residenz in München auf einer Großleinwand die Trauerfeier verfolgt haben.
Sittsam soll es zugegangen sein, obwohl die meisten viel darangesetzt haben sollen, einen Blick auf den mit schneeweißen Rosen und Nelken geschmückten Mahagonisarg zu erhaschen. 10.000 Sterbebildchen waren seinerzeit verteilt worden und schon am Tag danach sind etliche für mehr als 50 Euro bei Ebay versteigert worden. Heute weiß man, dass sie nicht an Wert gewonnen haben. Gibt es keine Liebe mehr für den Mann, den sie den König von München genannt haben, als er gestorben ist? War die Gesellschaft in Bayern damals etwa offener als heute?
Den finsteren Umfragen aus dem Land zufolge würden derzeit knapp 70 Prozent der abstimmungsberechtigten Bayern rechts (CSU), rechtsradikal (Freie Wähler) oder rechtsextrem (AfD) wählen. Da drängt sich glatt die Frage auf, ob heutzutage diesem so schrillen Mamasöhnchen die Herzen der Bayern noch ebenso zufliegen würden wie seinerzeit – einem, dessen Lieblingsspielzeug ein Schoßhündchen namens Daisy war, der ein Herz für die Obdachlosen seiner teuren Heimatstadt hatte, und der sich, wenn er einsam war, die Liebesdienste junger Männer vom Straßenstrich gekauft hat. Ein solcher Stricher hat im Streit um sein Honorar Moshammer damals mit einem Stromkabel erdrosselt. Ein junger Mann aus dem Irak wurde der Tat überführt. Man mag sich gar nicht vorstellen, was die Herkunft des Täters heute für Reaktionen auslösen würde. Die Trauerkundgebung für Moshammer vor 20 Jahren war von Liebe getragen, gut möglich, dass eine solche heutzutage von Hass getrieben wäre. 18 Jahre hat der Mörder abgesessen, bevor er vor zwei Jahren in den Irak abgeschoben worden ist.
Das riesige Mausoleum am Ostbahnhof, in dem Moshammer neben seiner Mutter Else, gestorben 1993, liegt, gehört noch immer zum Programm so manch origineller Stadtführung und thront wahrhaft königlich über den anderen Grabstätten. Manchmal liegen frische Blumen auf den Steinen. Ganz abgestorben ist die Liebe zu Moshammer also noch nicht. Auch an der Grabstätte in der Gruft des anderen schrillen Königs der Bayern in der Michaelskirche liegen fast immer frische Blumen. Ludwig II., der sogenannte Kini, auch er ein schwuler Paradiesvogel, wird immer noch geliebt. Vielleicht ist dieses gottverdammte Bayern ja doch noch nicht verloren. Schön wär’s.
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