: Meyer Werft ist noch viele Millionen ärmer
Erneut soll sich beim Papenburger Kreuzfahrtschiffsbauer eine Lücke von 185 Millionen aufgetan haben – weil Kosten für Zukunftsprojekte explodierten. Festgestellt hat man das erst, nachdem Land und Bund eingestiegen waren
Von Nadine Conti
Eigentlich dachte man, in Papenburg sei Ruhe eingekehrt. Monatelang hatte die traditionsreiche Meyer-Werft mit ihrer wirtschaftlichen Schieflage das ganze Land in Atem gehalten. Der große Kreuzfahrtschiffsbauer hatte zwar volle Auftragsbücher, drohte aber an den dramatisch gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten zu scheitern. Nach monatelangem Ringen stand im September vergangenen Jahres fest: Der Bund und das Land Niedersachsen steigen als Mehrheitseigentümer ein, übernehmen jeweils 40 Prozent des Unternehmens und erhöhen damit das Eigenkapital um 400 Millionen Euro, hinzu kommen Bürgschaften in Höhe von 2,6 Milliarden Euro.
Doch nun fragen sich einige, ob bei diesem Deal wirklich alle Karten auf den Tisch gelegt wurden. Nach Recherchen der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ)ist erneut eine Kostensteigerung von 185 Millionen Euro aufgetaucht. Dies sei dem Land bereits seit Ende Oktober bekannt.
Fraglich bleibt, ob diese Kostensteigerung nicht eigentlich schon vorher hätte bekannt werden müssen. Immerhin hatten Land und Bund die Verträge erst im September unterzeichnet – und zuvor ein externes Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben, in dem die Beratungsfirma Deloitte dem Familienunternehmen eine grundsätzliche Sanierungsfähigkeit bescheinigte. In diesem Gutachten tauchen diese Kosten allerdings noch nicht auf.
Das Unternehmen selbst und das niedersächsische Wirtschaftsministerium halten sich öffentlich vorerst bedeckt. Man werde interne Preiskalkulationen nicht öffentlich kommentieren, sagte ein Werftsprecher der Deutschen Presse-Agentur. Bei solch hochkomplexen Konstruktionen und gerade beim Bau neuer Produktreihen könne es aber immer zu Kostenanpassungen kommen. Deshalb habe man in der Planung umfangreiche finanzielle Sicherheitspuffer eingebaut.
Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte gegenüber dem NDR, die Frage, warum diese Kosten so spät aufgetaucht seien, müsse nun mit der neuen Geschäftsführung geklärt werden. Grundsätzlich gebe es aber keinen Zweifel daran, dass das Unternehmen nach wie vor sanierungsfähig und sanierungswürdig sei, wie es im Gutachten heißt.
Bei der jüngsten ungünstigen Kostenentwicklung spielt offenbar ein Pilotprojekt eine Rolle, das eigentlich als zukunftsträchtig galt. Im November 2023 verkündete Meyer stolz, nun auch in das Geschäft mit Konverterplattformen einzusteigen. Diese werden benötigt, um den Wechselstrom aus Offshore-Windkraftanlagen in Gleichstrom umzuwandeln, damit er verlustärmer transportiert werden kann. Die Meyer-Werft erhielt den Auftrag, die Stahlkonstruktionen für vier solcher Plattformen in der Nordsee zu liefern.
Den NOZ-Enthüllungen zufolge lief das holpriger als geplant, sodass Meyer daran wohl sehr viel weniger verdienen wird als erhofft. Ähnliches gilt für ein Kreuzfahrtschiff für Disney. Auch hier sollen die Kosten aus dem Ruder gelaufen sein – und das Unternehmen hat noch weitere Aufträge für Kreuzfahrtschiffe mit LNG-Antrieb aus dem Konzern.
Dass es Meyer an Aufträgen nicht mangelt, war allerdings von vornherein klar – fraglich ist, wie realistisch die Gewinnerwartungen sind. Der Staat solle sich ja nach ein paar Jahren wieder aus dem Unternehmen zurückziehen, beteuerten alle Beteiligten. Ein genaues Ausstiegsdatum oder sonst eine Zielvorgabe legte man aber nicht fest.
Zumindest im politischen Raum war die Rettung des Unternehmens parteiübergreifend unumstritten, im Land stimmte auch die CDU-Opposition zu, im Bund muckte nicht einmal die FDP auf. Ausschlaggebend dafür dürften zwei Faktoren gewesen sein: Zum einen vermutete man einen großen Effekt für die ansonsten eher strukturschwache Ems-Region – obwohl die Papenburger Werft selbst nur rund 3.200 Menschen direkt beschäftigt, sollen indirekt bis zu 18.000 Arbeitsplätze von dem Unternehmen abhängen.
Zum anderen dürfte die Befürchtung eine Rolle gespielt haben, dass damit technisches Know-how im Schiffbau endgültig aus Deutschland verschwinden könnte. In der politischen Diskussion hieß es anfangs oft, man würde einen privaten Investor bevorzugen. Der fand sich aber nicht schnell genug.
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