: taz-Themen der Woche
Syrien und der Westen. Gauck und der Holocaust
Aussage bestätigt
■ betr.: „Der syrische Knoten“, taz vom 20. 3. 12
Was wollen Sie, Herr Todenhöfer, mit Ihrer Auflistung an angeblich falsch zugeordneten Attentaten/Morden/Massakern sagen? Ihre Liste ist genauso wenig überprüfbar wie die Informationen und Filme der syrischen Aufständischen. Falls Sie dem engagierten Artikel von Rafik Schami vom 3. März widersprechen wollten, ist Ihnen das Gegenteil gelungen. Sie haben seine Aussagen bestätigt, sogar die über Ihre argumentative Vorgehensweise. Insbesondere seinen Vorwurf, Sie würden allen Menschen eine eigene Meinungsbildung absprechen, die nicht Ihre „Exklusivinformation“ besitzen.
Leider erwähnen Sie das Wesentliche der besonderen Situation in Syrien nicht, nämlich dass jegliche „Information“ aus Syrien aus einem einzigen Grund nicht überprüfbar ist: Weil das Regime Assad den Informationsfluss durch unabhängige Beobachter und Kommunikationsmedien unterdrückt. Es verbietet die Anwesenheit unabhängiger Journalisten und von UN-Beobachtern. Und es untersagt unabhängigen Hilfsorganisationen den Zugang zu Krisengebieten. Wenn das Regime Assad kein massives Interesse daran hat, seine Morde und Greueltaten vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen, dann würde es sich anders verhalten. BIRGIT PABST, Eckernförde
Kein Respekt
■ betr.: „Der syrische Knoten“, taz vom 20. 3. 12
Todenhöfer behauptet, man verhöhne seine handverlesenen syrischen „Oppositionellen“, wenn man ihrem Wunsch nach Kommunikation und Verhandlung mit dem Regime zur friedlichen Lösung des Konfliktes nicht nachkomme. Was bedeutet das im Umkehrschluss für seine Ignorierung des Verlangens Abertausender mehr oder weniger friedlicher Demonstranten nach sofortigem Rücktritt Assads? Respekt ist es demzufolge nicht. Wo nimmt er seinen Optimismus in Bezug auf Assads Willen zur Demokratisierung her? Die Vergangenheit kann’s nicht sein! CLAUDIUS MAIER Villingen-Schwenningen
Aber Vorsicht!
■ betr.: „Der syrische Knoten“, taz vom 20. 3. 12
Ich bin nun nicht in der Lage, die Situation in Syrien einzuschätzen. Aber Vorsicht! Ich kann mich gut an die frühen 80er Jahre erinnern, als Todenhöfer im Bundestag saß und als Mitglied der „Stahlhelmfraktion“ um Alfred Dregger das von den USA tatkräftig unterstützte Bauernschlachten in Mittelamerika bejubelte.
Noch heute ist es für mich unerträglich, nur den Namen dieses Mannes zu hören, weil damals viele Freunde und Freundinnen von mir ihr Leben verloren. Zu denen, die sich lautstark freuten, gehörte übrigens auch Heiner Geißler. EDEL MIHM Saarbrücken
Gewaltfreier Bruch der Ordnung
■ betr.: „Der syrische Knoten“, taz vom 20. 3. 12
Todenhöfer blendet – wie leider auch viele Redaktionen – völlig aus, dass der Konflikt originär nichts mit Bürgerkrieg zu tun hat, sondern dass unbewaffnete Menschen gewaltfrei auf die Straße gegangen sind und von Polizei und Militärs verprügelt und beschossen wurden. Der Aufstand hat sich daran entzündet, dass Schulkinder wegen Parolen gefoltert wurden. Todenhöfer vermengt munter die Begriffe gewaltfrei und friedlich: Wenn sich Menschen der Staatsmacht in den Weg stellen, ist das nicht friedlich, es ist ein Bruch der Ordnung. Doch es kann – anders als der Einsatz von Waffen – gewaltfrei sein, und ein großer Teil des syrischen Volksaufstandes ist gewaltfrei. Dieses gewaltfreie Handeln delegitimiert jedes militärische Vorgehen von Assads Regime. STEFAN DIEFENBACH-TROMMER, Marburg
Strategien und Interessen
■ betr.: „Der syrische Knoten“, taz vom 20. 3. 12
Große Anerkennung, dass Sie Todenhöfer etwa gleich viel Raum für seine Argumente eingeräumt haben wie am 3. März Rafik Schami. Das war überraschend, nachdem Schami ohne Widerspruch von Ihrer Seite im Interview behaupten durfte, es sei „Rassismus“, wenn jemand über ein Land schreibe, der dort nicht aufgewachsen sei und dort gelebt habe. Doch Sie rahmen Todenhöfers Darstellung ein mit „Fakten“, die ihn diskreditieren, und am Folgetag stellen Sie prominent heraus, wie „zynisch“ er doch sei.
Dabei schreibt Todenhöfer über nichts anders als das, was die Regeln guten Journalismus ausmacht: Sorgfältige Recherche und Einordnung der gefundenen Tatsachen in den größeren Zusammenhang der Geschichte, der Strategien und Interessen in der Region. Die Berichterstattung der taz vernachlässigt diese Regeln gerade bei der Syrien-Berichterstattung. Da ist vom „syrischen Volk“ und von der „Bevölkerung“ die Rede. Da sind die Opfer automatisch auch die besseren Menschen! WOLF WAGNER, Berlin
Vernichtung Andersdenkender
■ betr.: „Der Rückfall“, taz vom 17./18. 3. 12
Deutschland ist voll verantwortlich für die Ermordung der Menschen jüdischen Glaubens während des „Dritten Reiches“. Und doch habe ich mit der Position von Efraim Zuroff erhebliche Probleme. Herr Zuroff nimmt für sich in Anspruch feststellen zu dürfen, was Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind oder nicht, wenn es um die Vergleichbarkeit politisch motivierter Vernichtung von Menschen geht. Er stellt den Holocaust über alle anderen Szenarien. Interessanterweise bedient er sich dabei eines Gedankenkonstruktes, das von den Nazis benutzt wurde, um eine „Untermenschenrasse“ auszurotten. Er benennt dieses (singuläre) Verbrechen der Nazis „Genozid“. Es wurden aber Deutsche, Polen, Österreicher; Russen, Niederländer, Franzosen, Dänen usw. jüdischen Glaubens verfolgt und ermordet (den Staat Israel gab es noch nicht und damit auch kein jüdisches oder israelisches Staatsvolk), sodass von einem Genozid per Definition nicht gesprochen werden kann. Einen Genozid gab es tatsächlich gegenüber den Sinti und Roma!
In der Prager Erklärung geht es um die Vernichtung Andersdenkender und -handelnder als Teil der staatlichen Politik in Diktaturen und damit als Teil der Politik in der europäischen Geschichte generell; einer Vernichtung von möglicher Opposition, die von Regierungen geplant und durchgeführt wurde. ALBERT WAGNER, Bochum
Was macht Täter zu Tätern?
■ betr.: „Der Rückfall“, taz vom 17./18. 3. 12
Wenn Täter im Rekapitulationsprozess der Tat zu Opfern werden, ist das nicht schlimm, sondern wichtig – besser als andersrum, oder? Aber im Ernst: Mir geht das Gedröhn von „Täternation“ und „Opfernation“ inzwischen stark auf die Nerven, weil es uns in der Gegenwart nicht weiterbringt. Die historischen Fakten sind bekannt und überall nachzulesen, niemand will „die Geschichte umschreiben“, jeder weiß Bescheid über den Zweiten Weltkrieg – aber warum die Menschen zu Tätern wurden, ist eine Frage, auf die man noch keine Lösung hat; hätte man eine, gäbe es auf der Welt keinen Rassismus, keine Gewaltverbrechen, keine Genozide mehr.
Ich gebe Herrn Zuroff recht, dass die Aufarbeitung der Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs in den Ostblockstaaten nicht existierte. Aber alle Täter waren mal Opfer, sonst wären sie nicht zu Tätern geworden. Jeder Mörder, jeder Vergewaltiger, jeder Amokschütze hat ein seelisches Problem, das so groß wurde, dass es ihn zum Täter machte. Wir erreichen mehr, wenn wir analysieren, was Täter zu Tätern macht. GUDRUN RUPP, Berlin
Gute und schlechte Opfer?
■ betr.: „Der Rückfall“, taz vom 17./18. 3. 12
Was maßt sich eigentlich Efraim Zuroff an, wenn er unserem Bundespräsidenten unterstellt, die Verbrechen der Nationalsozialisten zu verharmlosen? Es kann doch nicht darum gehen, die Opfer vergleichend gegeneinander aufzurechnen, so als gäbe es gute, besonders gute und schlechte Opfer. Jeder Tote ist ein Toter zu viel, egal ob er aufgrund seiner Rasse, seiner Klasse, oder „nur“, wie es in den Zuroff’schen Ausführungen heißt, „auf der Grundlage ökonomischer und politischer Faktoren identifiziert wurde“. Ich bin froh, dass es zur Prager Erklärung kam, und Europa zu einem gemeinsamen Gedenken an die vielen Millionen Opfer totalitärer Regime kommen will, von Kommunisten, Nationalsozialisten, von Kriegsopfern,Toten auf der Flucht … Es ist doch korrekt, wie wir in der Erklärung lesen, „Europa kann nicht vereint werden, wenn es nicht in der Lage ist, seine Geschichte zu vereinen“. ULRICH RÄTH, Norden
Ja, das ist ein Rückfall
■ betr.: „Der Rückfall“, taz vom 17./18. 3. 12
Die Motive der Erstunterzeichner der Prager Erklärung, Vaclav Havel oder Joachim Gauck zum Beispiel, kann ich ja noch gut nachvollziehen. Auch verstehe und teile ich die Verurteilung des Hitler-Stalin-Pakts, der vor allem für Europa, besonders Osteuropa, grausame Folgen hatte. Nicht akzeptabel ist für mich, die poststalinistische Sowjetunion und ihre Bevölkerung, die die schlimmsten Opfer gebracht und die Folgen des NS-Vernichtungsfeldzugs im Zweiten Weltkrieg zu erleiden hatte, mit den militärischen und rassistischen Verbrechen Hitler-Deutschlands gleichzusetzen. Herr Zuroff hat doch völlig recht, dass dies ein „Rückfall“ ist. Hajo Leib, taz.de
In Syrien spiele westliche Prominenz eine „widerliche Rolle. Sie verleumden Tote und Lebende, um den Diktator zu decken“, schrieb Rafik Schami in der taz. Der syrische, heute in Deutschland lebende Schriftsteller nahm insbesondere Peter Scholl-Latour und Jürgen Todenhöfer aufs Korn, die zu Assad reisten, Tee mit ihm tranken und Geheimdienstchefs „nachdenklich in die Augen“ sahen. Jürgen Todenhöfer antwortete, die schweigende syrische Mehrheit halte eine „friedliche Einführung der Demokratie nur zusammen mit Assad“ für möglich. Leserinnen und Leser fragen vor allem eins: Warum erlaubt Assad dann keinen freien Zugang zu Syrien?
Efraim Zuroff warf in der taz Joachim Gauck vor, die Schoah zu verharmlosen, indem er stalinistische Verbrechen damit gleichsetze. Das sehen die meisten taz-LeserInnen anders.