zahl der woche : Österreicher sollen für die Frührente Kalorien zählen
2.000
Was ist Schwerarbeit? Ein Job, bei dem ein Mann 2.000, eine Frau 1.400 Kilokalorien verbraucht? So, also über den Nahrungsbedarf, will es die österreichische Regierung definieren. Dort ist die Frage derzeit virulent, weil die jüngste Rentenreform, die mit Jahresbeginn in Kraft getreten ist, Menschen mit besonders belastenden Berufen ermöglichen will, früher und ohne Abschläge in Rente zu gehen. Bisher ist aber unklar, welche Tätigkeiten darunter fallen. Bis Ende Mai will Sozialministerin Ursula Haubner eine Lösung auf den Tisch legen.
Kalorienzählen allerdings sei „eine Schnapsidee“, befand der grüne Sozialsprecher Karl Öllinger. Der Verbrauch sei „individuell sehr unterschiedlich“. Zudem stelle sich die Frage, wie psychische Belastung, etwa in Pflegeberufen, gemessen werden soll.
Auch der Arbeitsrechtler und Pensionsexperte Theodor Tomandl hält die bisherigen Vorschläge für „leider völlig verunglückt“: Damit ein Schwerarbeiter ohne Abschläge früher in Rente gehen kann, müsste er mindestens 15 Jahre Schwerarbeit und 45 Versicherungsjahre nachweisen. Im Übrigen, so Tomandl, seien Schwerarbeitende oft mit Mitte 50 so kaputt, dass sie Invaliditätsrente bekämen.
Ein von Rentenexperten im Auftrag der Regierung erstellter Kriterienkatalog versucht es mit Umschreibungen: So ist von dynamischer und statischer „Körperbelastung in gebeugter oder ungünstiger Körperhaltung mit teilweise schweren Gewichten“ die Rede. In diese Kategorie fallen etwa Dachdecker, Steinmetze, Forstarbeiter. Oder bei den Frauen Bergbäuerinnen, Mitarbeiterinnen in Großwäschereien und Kellnerinnen.
Dabei orientiert man sich am Nachtschwerarbeitergesetz von 1981. Danach gilt als Schwerarbeiter, wer im Berg- und Tunnelbau unter Tag eingesetzt wird, bei großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit oder bei Temperaturen unter minus 21 Grad seiner Tätigkeit nachgeht. Oder wer Lärm, den Körper erschütternden Maschinen (Presslufthämmern) ausgesetzt ist oder bei der Arbeit Atemschutzmasken tragen muss.
Die besondere Tücke bei der Formulierung: Nach den Vorgaben der Politik sollen nicht mehr als 5 Prozent der Rentner ab 2007 in den Genuss dieser Regelung kommen.
Auch in Deutschland gibt es keine allgemein verbindliche Definition von Schwerarbeit. Der Begriff der „Arbeitsschwere“, der bei der Gefährdungsbeurteilung im Arbeits- und Gesundheitsschutz herangezogen wird, wird auch auf monotone und psychisch belastende Tätigkeiten angewandt. Schwerarbeit gilt so lange nicht als schädlich, wie sie mit ausreichend Pausen verbunden ist und keine bleibenden Schäden verursacht.
RALF LEONHARD