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Köstliche Quetschung

Wenige Zutaten, großer Geschmack: Die Schiacciata, ein Kuchen aus zerdrückten Trauben, war ursprünglich ein Rezept der armen Leute. Heute diskutiert man ausführlich über die richtige Rebe

Von Nicole Paganini

Die Schiacciata oder genauer: Schiacciata all’uva, ist eine unbekannte Größe der toskanischen Herbstküche, die sich auch hervorragend als Weihnachtssüßspeise macht. Übersetzt bedeutet „schiacciata“ so viel wie „zerdrückt“, und genau das passiert hier mit den Trauben, die großzügig auf einem Hefeteig verteilt werden. Ursprünglich war das Rezept ein Gericht der armen Leute: wenige Zutaten und großer Geschmack, wie so oft in der italienischen Küche.

Ihren Ursprung hat die Schiacciata in den Weinbergen der Toskana. Sie diente als Zwischenmahlzeit während der Weinlese. In den frühen Morgenstunden füllte man die Brotteigreste vom Vortag mit den gepflückten Trauben und drückte feste zu.

Was als Brot auf die Hand begann, mutierte mit der Zeit zum Blechkuchen. Viele Familien buken die Schiacciata in großen Holzbrotöfen, die den Dorfgemeinschaften gehörten. Von Dorf zu Dorf entwickelten sich eigene Varianten und Familienrezepte: Die einen mischten ein paar Walnüsse in den Belag, andere beträufelten den Teig mit Olivenöl und Honig.

Für den Hefeteig brauchen wir 500 g Mehl (Type 550 oder 00), 300 ml lauwarmes Wasser, 20 g frische Hefe, 2 EL Olivenöl, 1 TL Salz und einen EL Zucker. Die Hefe im lauwarmen Wasser auflösen, dann mit Mehl, Salz, Zucker und Olivenöl zu einem geschmeidigen Teig kneten. Als nächstes benötigen wir Zeit. Zwei Stunden, besser drei sollte der Teig ruhen. Dabei alle dreißig Minuten kneten und Luft einarbeiten. Auf den ausgerollten Teig legen wir die Trauben. Am besten eignen sich kleine, blaue Trauben, die lassen sich gut zerdrücken – unbedingt mit der Hand und ruhig fest zudrücken. Etwas Olivenöl und ein paar Prisen Zucker oder Honig darüber, dann geht’s in den Ofen: 200 °C, etwa 25 Minuten, bis der Teig goldbraun ist und die Trauben karamellisiert duften.

Die Streitigkeiten, welche Traube für die Schiacciata am besten geeignet ist, überspannen Generationen. Eine gängige Wahl ist die süße, kleine Traube der Sorte Canaiolo. Wer eine dickere Schale mag und gerne viel Saft will, könnte mit der Sangiovese die richtige Textur gewinnen. In der Toskana bauen manche Familien eigene Reben an, die nur für den Kuchen verwendet werden.

Die Schiacciata diente in den Weinbergen der Toskana als Zwischenmahlzeit

Denjenigen, die nicht das Glück haben, in einem Traubenanbaugebiet zu leben, sei eine Faustregel für den Supermarkt mitgegeben: Grüne Trauben funktionieren schon farblich nicht. Die blauen, großen Tafeltrauben würden zur Not und gut gequetscht dem Kuchen keinen Schaden anrichten. Es lohnt sich aber, die kleinen blauen zu suchen.

Für die festliche Note versehen wir nun die Schiacciata mit den Aromen von Glühwein, aber selbstverständlich nicht aus dem Beutel. Wir bestreuen sie mit Zimt, Nelken, Sternanis und geriebener Orangenschale. Wer mag, gibt etwas Melasse, Kastanienhonig oder einen Schuss Amaretto dazu. Serviert mit einer Kugel Vanilleeis oder Ricotta ist die Schiacciata der perfekte Zwischensnack für die Weihnachtstage.

Den weihnachtlichen Geschmack können wir sogar noch weiter zuspitzen, indem wir den toskanischen Dessertwein Vin Santo dazu trinken. Es wird angenommen, dass der Wein ursprünglich von Mönchen entwickelt wurde. Sie trockneten die Trauben vor der Fermentation, um den Zucker zu konzen­trieren und erhielten so einen süßen, stärkeren Wein. Wem das zu süß ist, greift zum Rosé aus der Sangiovese Traube.

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