berliner szenen: Licht in der nassen Dunkelheit
Dunkelheit, viel zu früh. Jeden Tag aufs Neue. Nässe von oben und aus den Pfützen, wenn es aufspritzt von vorbeifahrenden Autos. Kälte, die an der Bushaltestelle langsam unten in die Hosenbeine kriecht. Dezember eben in Berlin.
Kaltnadelwetter. Kennen Sie nicht, das Wort? Ist auch eine Neuerfindung, eine Eingebung aus der Ausstellung „Der andere Impressionismus“ im Berliner Kupferstichkabinett. Denn was man dort sieht, von Künstler*innen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, hat viel mit Nässe und Dunkelheit zu tun, von Regen, der in dichten Schraffen auf das glänzende Pflaster fällt. In Berlin, in England, in Paris, in New York. Straßenlaternen, Mondschein, elektrisches Licht schimmern durch die feuchte Luft, durch Nebel, Rauch und Dämmerung. Sie sind in diesen Radierungen oder den Chliché-Verre, in einer vorfotografischen Technik erfassten Bildern jene flüchtigen Erscheinungen, die festzuhalten die Künstler*innen zu Impressionisten machte.
Wenn es jetzt wieder so richtig schmutzt im Berliner Dezember, dann tröste ich mich damit, an Franz Skarbinas „Droschke im Regen“ zu denken oder an Joseph Pennel, der die New Yorker zur Fähre mit Regenschirmen eilen lässt. Jeder Strich mit der Radiernadel ein nasser Faden. Aber es gibt noch mehr, was zur Zeit der kurzen Tage passt, die lesenden Frauen etwa, die Albert Besnard in einer Radierung gestochen hat. Mit ihnen drückt man das Ungemütliche weg.
Früher durfte man in Ausstellungen nicht fotografieren, heute tun es fast alle mit dem Handy. Und ich stelle mir vor, beim Rundgang im Kupferstichkabinett, dass auch die anderen sich damit einen kleinen Vorrat schwarz-weißer Bilder als Trost dagegen anlegen, sich im trüben Draußen etwas verloren zu fühlen.
Katrin Bettina Müller
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