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das wird„Realität gestalten, nicht nur abbilden“

Dokumentarfilme, nicht Dokumentationen: Bei der 4. Dokfilmschau in Hildesheim zeigen Studierende wieder ihre Arbeiten

Interview Wilfried Hippen

taz: Christoph Schwendy, Sie bringen Studierenden bei, selbst Dokumentarfilme zu drehen. Müssen Sie da ganz von vorne anfangen?

Christoph Schwendy: Ja, ich bin schon froh, wenn einige von ihnen schon mal eine Kamera in der Hand gehabt haben. Wir sind keine Filmhochschule, aber in der großen Frage nach Gestaltung ist das Filmische für mich jetzt wichtiger den je. Für die meisten Studierenden ist dies ein ganz neuer Start. Ich spreche mit ihnen zuerst darüber, was ihre Fragen sind und wie man einen Film darüber machen kann. Und es ist wichtig, dass sie lernen, Realität nicht nur abzubilden sondern auch zu gestalten. Sie machen keine Dokumentationen, sondern Dokumentarfilme!

taz: Das Resultat sind in diesem Jahr neun kurze Filme. Welchen Themen haben die Studierenden ihre Debüts gewidmet?

Schwendy: Da gibt es eine große Vielfalt an Themen, die zeigt, welche Schwingungen es gerade in der Studentenschaft gibt. In diesem Sinne ist jeder Film auch ein Zeitdokument. Zum Teil geht es da um ganz persönliche Entwicklungsschritte wie etwa in „Woanders“ von Carl Osterwald über den ersten Umzug mit 19 oder 20 Jahren von den kleinen Heimatdorf in eine Großstadt. Manchmal reicht es auch, wenn zwei verschiedene Kneipen in Bremerhaven vorgestellt werden wie in „Igelbabies“ von Svea Hauer.

Foto: provat

Christoph Schwendy *1976, ist Diplomdesigner und leitet die Dokumentarfilmklasse an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim (HAWK).

taz: Aber es gibt auch Filme mit politischen Anliegen, etwa „Revisionism“, in dem Vera Stella von Massakern im Jahr 1965 in Indonesien erzählt. Ist das nicht ein ziemlich dickes Brett für diesen Rahmen?

Schwendy: Die Studierende kommt aus Indonesien und sie wollte mit ihren drei indonesischen Freundinnen über diese Vorkommnisse in ihrem Heimatland reden, die ein Teil ihrer frühen Prägung sind. Da ist dann auch viel Halbwissen mit dabei, aber der Film ist als Momentaufnahme interessant.

taz: Und was hat es mit „Unter der russischen Lampe“ auf sich?

4. Dokfilmschau der HAWK-Fakultät Gestaltung: Di, 10. 12., 16.30 Uhr, Thega-Filmpalast, Hildesheim

Schwendy: Simon Kimpflinger hat mit seinem alten Camkorder jemanden begleitet, der in Deutschland Hilfsgüter sammelt, und ist mit ihm in die Ukraine gefahren. Dort hat er gefilmt, wie der Lastwagen ausgeladen wurde und wie sich die Menschen dort darüber gefreut haben.

taz: Apropos Freude: Wie fühlen Sie sich, wenn diese Filme jetzt zum ersten und wohl auch einzigen Mal auf einer großen Leinwand gezeigt werden?

Schwendy: Bei der Endmontage habe ich den Studierenden gesagt: „Bis hierhin konnte ich euch bringen – jetzt freue ich mich darüber, dass ich eingeladen bin, eure Filme betrachten zu können.“

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