Protest gegen Kürzungen in Berlin: Arm ist Berlin erst ohne Kultur
Berliner Kulturschaffende protestieren gegen die geplanten Sparmaßnahmen. CDU-Kultursenator Joe Chialo muss sich Buhrufe gefallen lassen.
1.200 Menschen sind der Polizei zufolge dem Aufruf des Aktionsbündnisses #BerlinIstKultur gefolgt – und sie protestierten so, wie es den Kulturschaffenden gebührt: mit Chören, Tanz, Performance, Lyrik, Instrumenten, Theater, Chor – und kampfbereiten Reden.
Denn die Lage für den Berliner Kulturbetrieb könnte bald noch prekärer werden als in sie es in den Vorjahren ohnehin schon war. Schuld daran ist die derzeitige Haushaltsmisere im Berliner Senat, genauer gesagt ein drei Milliarden Euro großes Haushaltsloch. Bisher ist es noch nicht gestopft, obwohl bereits für Ende September eine Lösung angekündigt war.
Im Raum steht darum, in allen Bereichen zehn Prozent der Ausgaben einzusparen. Für die Berliner Kultur, deren Anteil am Gesamthaushalt lediglich 2,5 Prozent beträgt, ein Schreckensszenario. Dem Vernehmen nach ist eine endgültige finanzpolitische Entscheidung Anfang Dezember zu erwarten.
Planungssicherheit für die Kultur
Zwar sei „jedes Prozent Einsparung“ dramatisch, zumal diverse Kosten für Heizen oder Personal gestiegen seien. „Doch das eigentlich Dramatische ist die Kurzfristigkeit der Entscheidung“, sagte die Schauspielerin Hannah Walther der taz. Walther ist Mitglied in der Bühnengenossenschaft DGBA und hat den kreativen Protest federführend organisiert. „Der Kulturbereich braucht endlich Planungssicherheit“, sagte sie.
Auch Janina Benduski, Vorstandsmitglied der Berliner Kulturkonferenz, vermisste bisher den Dialog zwischen politischen Akteur:innen und den Kulturinstitutionen. Derzeit herrsche die Sorge, dass die Kürzungsmaßnahmen die Branche rasenmäherartig treffen, so Benduski. Formulierungen der Politik, sie versuche „Insolvenzen zu vermeiden“, hätten große Verunsicherung ausgelöst – besonders bei den kleinen Häusern.
Trotzdem sagte Janina Benduski: „Da ist die Sehnsucht, dass sich die Politik als Fürsprecherin der Kultur verhält.“ Und tatsächlich ist CDU-Kultursenator Joe Chialo zum Protest gekommen, um angesichts dieser „historischen Herausforderung“ seine „Solidarität“ auszudrücken, wie er sagte.
Er nannte die Kulturschaffenden „liebe Freunde“, er sei froh, dass sie da seien – eine Stimme aus der Masse quittierte Chialos Schmeicheleien mit einem genervten „bla bla bla“. Gleichzeitig könne er aber aktuell keine Antworten geben, weil die Verhandlungen noch liefen, sagt der Kultursenator. Er sei aber zuversichtlich, dass man „gemeinsam eine Zukunftsperspektive“ schaffen könne. Den vereinzelten Buhrufen entgegnete er trocken: „Man kämpft nicht, indem man hereinblökt.“
Doch bei den Betroffenen herrscht angesichts der existenzgefährdenden Lage Wut und Frust. Ihnen fehlt die Wertschätzung für den Berliner Kulturbereich, in dem immerhin jede zwölfte Arbeitnehmer:in in Berlin tätig ist. „Land ohne Kultur? Land unter“ hieß es auf einem Plakat. Immer wieder betonten Redner:innen am Mittwoch: Die Berliner Kultur sei Magnet für internationale Gäste, das „Herz der Stadt“, ein „Schutzraum“.
Lars Eidinger als Solo-Hamlet
Organisatorin Hannah Walther ist von der breiten Solidarität und den kreativen Protestformen vor dem Brandenburger Tor überwältigt. Sie hätten so viel Anmeldungen für das Bühnenprogramm erhalten, dass sie die Demonstration an den Platz des 18. März hinter dem Brandenburger Tor verlegen mussten.
Unterstützung kam auch von prominenten Kulturschaffenden: Katharina Thalbach und Constanze Becker sprachen auf der Bühne; Lars Eidinger führte im Anzug mit grüner, also vor dem Greenscreen unsichtbarer Maske eine Solodarbietung von Hamlet auf, um zu zeigen „wie es ist, wenn der Schauspieler nicht mehr da ist.“
Für Janina Benduski bleibt die Hoffnung, dass mit dem Protestprogramm am Mittwoch, noch stärker sichtbar wird, dass in der Kultur „sehr wenig Geld für echt tolle Dinge ausgegeben wird“. Trotzdem gehe sie davon aus, dass der Widerstand gegen die Kürzungen in die nächste Runde gehen wird: „Wir werden weitermachen werden müssen.“ Ein Solidaritätskonzert für den 19. November im Haus der Berliner Festspiele ist schon geplant.
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