piwik no script img

wortwechselDer richtige oder der falsche Bauch für das Baby?

Leihmutterschaft versus Adoption? Ethik, Bevormundung, Menschenrechte, Kapitalismus: alles spielt eine Rolle in der Diskussion über Leihmutterschaft

Dem Kind dürfte es letztendlich egal sein, in welchem Bauch es gewachsen ist Foto: Raphael Lorand/plainpicture

„Der Wille zum Kind“

taz vom 18. 10. 24

Die positiven Seiten der Leihmutterschaft

Eltern, die über Leihmutterschaft im Ausland ein Kind bekommen haben, sollen als Kriminelle behandelt werden – das ist die These von Chantalle El Helou. Familiengründung durch Leihmutterschaft ist oft ein Tabuthema. Doch es gibt uns: Die Familien, die über Leihmutterschaft ein Kind bekommen haben – und die ihr Kind lieben und sich wünschen, dass es mit seiner Geschichte in einer respektvollen Umgebung aufwächst. Ich möchte mit ein paar Mythen aufräumen, die in diesem Text propagiert werden.

Es scheint undenkbar, dass eine Frau aus freien Stücken die Entscheidung trifft, sich als Leihmutter zu engagieren. Woher kommt diese Überzeugung, die sich im deutschen Diskurs so hartnäckig hält? Was ist mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper? Es ist eine falsche Annahme, dass nur Frauen aus der Armut heraus diese Entscheidung treffen. Der Blick in die USA zeigt, wie divers die Hintergründe von Leihmüttern sein können und wie vielfältig ihre Motivation. Es sind mutige und starke Frauen, die sich dafür entschieden haben, anderen zu helfen, ­einen ihrer größten Wünsche zu erfüllen. Der Artikel spricht skandalisierend von „Servicepaket“, „Kommodifizierung“ und „Ausbeutung“.

Ich empfinde es als bevormundend, Frauen die Entscheidungsfähigkeit darüber abzusprechen, ob sie für andere Menschen ein Kind austragen wollen oder nicht. Die Wahrheit ist, dass in diesem Prozess Beziehungen entstehen können, die im besten Fall ein ganzes Leben bestehen. Ich kenne Familien, deren Kinder jedes Jahr mit ihrer Leihmutter in Skiurlaub gehen. Viele Leihmütter empfinden Stolz, anderen Menschen ihren größten Wunsch erfüllt zu haben.

Leihmutterschaft ist nicht immer mit einer Eizellspende verbunden – bei vielen heterosexuellen Paaren kommt die Eizelle von der Frau, auch wenn diese kein Kind austragen kann. Und selbst wenn eine Eizellspende im Spiel ist – was ist das Verwerfliche daran? Alle Frauen, die ihre Eizellen einfrieren oder eine künstliche Befruchtung machen, durchlaufen genau dieselbe medizinische Prozedur wie eine Eizellspenderin.

Leihmutterschaft unterliegt in den USA sehr strengen Regularien. Es werden Verträge zwischen Eltern und Leihmüttern geschlossen, in denen die Rechte von beiden Seiten einvernehmlich und auf Augenhöhe geregelt werden. Was in dem Artikel empört als „Erweiterung der Anspruchshaltung“ genannt wird, ist vielmehr eine rechtliche Absicherung für beide Seiten. Wenn man tatsächlich verhindern möchte, dass Frauen aus ökonomischen Zwängen in eine Leihmutterschaft einwilligen, dann ist meines Erachtens der richtige Schritt, Leihmutterschaft in Deutschland zu legalisieren – sei es altruistisch oder mit strikten ethischen Standards wie in den USA.

„Get over it“ – der zynische Rat an alle ungewollt Kinderlosen hat sich für die meisten Betroffenen sicher wie ein Schlag in die Magengrube angefühlt. Ungewollte Kinderlosigkeit ist ein Krankheitsbild, das von der WHO anerkannt ist. Es ist vollkommen in Ordnung, sich ein Kind zu wünschen und eine Familie gründen zu wollen. Deswegen werden künstliche Befruchtungen von der Krankenkasse bezahlt. Nun allein die Menschen zu diffamieren und sogar zu kriminalisieren, die ihren Weg zur Familie über die Leihmutterschaft gefunden haben, finde ich einfach geschmacklos.

Last but not least: Vielleicht braucht der feministische Diskurs eine neue Sichtweise auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper auch bei Eizellspende und Leihmutterschaft.

Lisa G., Berlin

Nur Selbstoptimierung

Chantalle El Helou ist voll zuzustimmen in ihrer Reflexion darüber, in welchem Maße der Kinderwunsch oft in höchst egozentrischer Weise lediglich der Selbst­optimierung dient und andere regelrecht missbraucht: mindestens den neuen Menschen, aber auch die Leihmutter und weitere Beteiligte. Das führt dann zu den irrsinnigen Verrenkungen, die wir vielfach beobachten können. Wie wäre es mal mit einer humanistischen Alternative zur Leihmutterschaft und anderen zwanghaften künstlichen Befruchtungen: nämlich einen (kleinen) Menschen zu adoptieren? Ein solcher Mensch ist immerhin schon da und angesichts vielfältiger Benachteiligungen ist dieser Mensch zur Adoption „freigegeben“. Wie viel Lebensfreude, wie viel Kraft ließe sich so jemandem schenken, wenn man denn davon beseelt ist, unbedingt einer oder mehreren Personen den Weg ins Leben ebnen zu wollen? Wäre das nicht toll, statt voraussehbar jemanden sich durchs Leben sich quälen zu lassen?

Burkhard Lange, Hemmingen Arnum

Adoptionsrechte stärken

Meines Erachtens sollte man die Adoptionsrechte der betroffenen Gruppen (Homosexuelle, Unfruchtbare) stärken, statt Leihmutterschaften zu fördern. Es gibt genug Kinder, die ein schönes Zuhause brauchen. Es ist nicht sinnvoll, angesichts von 10 Milliarden Menschen (inkl. Dunkelziffer) noch mehr künstliche zu erzeugen.

Hartmut Krollmann, Düsseldorf

Argumentation unehrlich

Ich verstehe nicht ganz, aus welchem Grund solch ein schlimmes Thema darauf umgemünzt wird, Menschen ihren Kinderwunsch abzusprechen (Zitat: „Get over it“). Kinder zu kriegen, ist etwas total Natürliches und ein sehr grundlegendes Bedürfnis. Warum sollte sich irgendwer dafür rechtfertigen müssen? Das Problem ist doch die Leihmutterschaft, nicht der Kinderwunsch dahinter. Mit solch einer Argumentation wirkt das alles ziemlich unehrlich. Dass viele Menschen keine Kinder mehr bekommen *können*, liegt auch an der modernen kapitalistischen Welt.

Le­se­r*in Violetpurr auf taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen