: 100 Jahre biodynamisch
Auf den Demeter-Hof in Brodowin kamen Mitte des Jahres zahlreiche Gäste, um ein Jubiläum zu feiern: 100 Jahre Demeter und damit auch biodynamische Landwirtschaft
Von Ansgar Warner
Grund zum Feiern gibt es im Jubiläumsjahr 2024 genug. Viele Demeter-Höfe gelten offiziell als ökologische Best-Practice-Betriebe und haben somit eine Vorreiterrolle in der Ökolandwirtschaft. Sie zeigen vorbildhaft, wie man Aspekte wie Regionalität, Tierschutz, Klimaschutz oder Bodenerhalt miteinander verbindet.
Was den Demeter-Verband von Anfang an ausgezeichnet hat, fasst Vorstand Alexander Gerber so zusammen: „Bäuerinnen und Bauern schließen sich zusammen, definieren, wie sie eine nachhaltig-ökologische Landwirtschaft gestalten wollen, sie geben sich Richtlinien, überprüfen diese durch Zertifizierung und vermarkten sie unter einem Markenzeichen.“
Die auf diesem Weg erzeugten Produkte genießen großes Vertrauen der Verbraucher. So wurde Demeter im Jahr 2020 im Rahmen einer aufwändigen Studie unter Hunderten Mitbewerbern zur „nachhaltigsten Marke Deutschlands“ gewählt. Ob in puncto Engagement, Klimaschutz, Regionalität, Fairness oder Nachhaltigkeit, überall gab es von Konsumentenseite Bestnoten.
Als eingetragenes Warenzeichen wird der Name der antiken Fruchtbarkeitsgöttin Demeter zwar erst seit 1928 genutzt, doch die Idee dahinter entstand tatsächlich genau vor einem Jahrhundert. Denn im Jahr 1924 hielt Anthroposophie-Begründer Rudolf Steiner eine Art Workshop mit knapp 100 interessierten Landwirten ab und gab damit den Impuls zu einer Neuausrichtung der Landwirtschaft nach organischen Kreislaufprinzipien. Dieser Ansatz sollte bald darauf als „biodynamisch“ bezeichnet werden – man wollte damit also mehr sein als nur „biologisch“.
Schon damals gab es Kritik an der beginnenden Industrialisierung des Ackerbaus, insbesondere am Einsatz von synthetischen Düngemitteln. Die biodynamische Methode lehnte das ab. Sie setzte überhaupt wieder auf mehr „Erdung“ der bäuerlichen Lebensweise, also auf eine gedankliche Einheit von Mensch und Natur. Deswegen versuchen Demeter-Höfe seit jeher, so viel wie möglich der benötigten Stoffe im Kreislauf selbst zu erzeugen – sowohl Düngemittel, in Form von Mist, als auch Futtermittel. „Das Grundprinzip besteht darin, den landwirtschaftlichen Betrieb als möglichst geschlossenen Betriebsorganismus zu gestalten“, so Gerber. Damit könne sogar gelten: „Demeter hat den Ökolandbau, so wie wir ihn heute kennen, erfunden.“
Schon gegen Ende der 1920er Jahre arbeiteten Hunderte Landwirte nach dieser Methode. Heutzutage sind es allein in Deutschland mehr als 1.400 Betriebe, die insgesamt 114.000 Hektar bewirtschaften – während es weltweit sogar fast eine Viertelmillion Hektar sind. Dazu kommen hierzulande Hunderte zertifizierte Hersteller von Demeter-Lebensmitteln sowie Vertragspartner aus dem Handel.
Eine spannende Frage bleibt dabei natürlich, inwieweit konkrete Unterschiede zwischen normaler ökologischer Landwirtschaft und der biodynamischen Methode messbar sind. Um das herauszufinden, haben Schweizer Agrarwissenschaftler in der Nähe von Basel bereits 1978 eine Langzeitstudie gestartet – den sogenannten DOK-Versuch. Diese Abkürzung steht für „dynamisch, organisch, konventionell“. Auf den Versuchsflächen wird erprobt, wie sich konventionelle Landwirtschaft mit chemischer Düngung, normale biologische Landwirtschaft und die Demeter-Methode langfristig auf Ertrag und Umweltbilanz auswirken.
Misst man allein die Erträge, so bekommt man mit chemischer Düngung am meisten heraus – allerdings ist dann auch der Verbrauch an fossilen Energien und die Emission von Treibhausgasen ungleich höher. Am Ende scheint die Bodenqualität der entscheidende Faktor zu sein. Je mehr Mikroorganismen im Untergrund wirken, sprich: je „lebendiger“ die Erde ist, desto besser steht es auch mit den Umwelteigenschaften. So steigt offenbar gerade bei der biodynamischen Methode die Fähigkeit des Ackers, Kohlenstoff zu binden, zugleich sinkt die Emission von Treibhausgasen wie etwa Lachgas um fast die Hälfte.
Die biodynamische Methode zeigt insofern nicht nur Wege auf, in Zukunft mit weniger Einsatz von Dünger, Energie und Pflanzenschutzmitteln auszukommen, sondern bietet die Perspektive, die Klimabilanz der Landwirtschaft erheblich zu verbessern.
Aber auch in anderen Bereichen gehen die Demeter-Landwirte eine Extrameile voraus – so kümmern sie sich bereits seit Langem um die eigenständige ökologische Züchtung von Saatgut. Das kann dann nicht nur gefahrlos von allen Landwirten angewendet werden, sondern bleibt bäuerliches Gemeingut, anders als die patentierten, gentechnisch veränderten Sorten der globalen Agro-Konzerne.
Erfindungsreich haben sich die Demeter-Aktivisten zudem gezeigt, weitere Wertschöpfung in die Betriebe zu holen, etwa mit eigenen Käsereien, Bäckereien oder sonstigen weiterverarbeitenden Bereichen. Nicht zuletzt führen viele Höfe vor, wie man außerlandwirtschaftliches Einkommen erreicht – etwa durch Hofcafés oder indem man Arbeitsplätze für Menschen mit Assistenzbedarf schafft.
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