die dritte meinung: Friede Springer hat die Ehrenbürgerinwürde nicht verdient, meint Gerhard Schick
Nicht nur spenden und stiften, sondern auch Steuern zahlen ist Ehrensache und sollte für jede Bürgerin in diesem Land eine Selbstverständlichkeit sein. Friede Springer hat 2020 mit einem Schenkungsdeal von Springer-Aktien im Wert von rund 1 Milliarde Euro an den Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner indes dazu beigetragen, dass dem Land Berlin vermutlich 300 Millionen Euro Steuern vorenthalten wurden.
Laut Medienberichten hatte Friede Springer Döpfner vor der Schenkung weitere Springer-Anteile für 276 Millionen Euro verkauft. Auf diese Weise konnte sich Döpfner „bedürftig“ rechnen und eine sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung beantragen. Die besagt: Wenn das Privatvermögen kleiner ist als der fällige Steuerbetrag, kann dieser erlassen werden. So kam es im Fall Döpfner. 300 Millionen Euro: Mit diesem Geld hätte Berlin viele marode Schulen sanieren, Lehrer*innen oder Krankenpersonal einstellen können. Doch statt Geldsegen bleibt für Berlin nur das Loch in der Kasse. Die Verantwortung dafür, dass es diese skandalösen Steuerschlupflöcher in Scheunentorgröße gibt, liegt bei der Politik. Doch die Entscheidung, die Millionen schubkarrenweise am Fiskus vorbei durch diese Scheunentore hinauszufahren, trifft immer noch jeder Mensch selbst.
Gerhard Schick ist Vorstand des Vereins Bürgerbewegung Finanzwende, der sich für eine nachhaltige Finanzwirtschaft einsetzt.
Ist es richtig, einen Menschen zu ehren, der zweistellige Millionenbeträge spendet, aber gleichzeitig alle Winkelzüge nutzt, um der Gemeinschaft Steuern im dreistelligen Millionenbereich vorzuenthalten? Ein faires Steuersystem basiert auf dem Prinzip: Starke Schultern können mehr tragen als schwache. Friede Springer hat mit dem Döpfner-Deal dieses Prinzip ausgehebelt. Stattdessen verteilt sie nach Gutsherrinart Spenden in den Bereichen, die ihr persönlich am Herzen liegen. Im Vergleich zu denjenigen, die Steuertricks anwenden und nichts spenden, ist das sicher großzügig. Aber in der Gesamtschau und im Vergleich zu den vielen Bürgerinnen und Bürgern, bei denen jeden Monat die Lohnsteuer einbehalten wird, ist es ganz sicher keine Ehrenbürgerwürde wert.
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