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Vor Ort vom Baum zur Tafel

So generiert man Wertschöpfung in den Erzeugerländern: Statt Rohkakao in Übersee veredeln zu lassen, stellen Produzenten in Ghana direkt im Kakao-Anbaugebiet Schokoladentafeln her und verpacken sie für den Versand

Das Fruchtmus der Kakaobohnen wird fermentiert Foto: Jörg Böthling

Von Dierk Jensen

Frühmorgens in der kleinen Kakaoplantage. Die Sonne blitzt zart durch die Bäume, an denen reife gelbe Früchte hängen, die „Pods“. Bäuerin Vida Bediako hat ihr Baby fest auf dem Rücken eingewickelt. Es schläft tief. Ihr Mann Justice nimmt eine Machete und schlägt die Kakao-Pods vom Ast ab.

Alle zwei Wochen gehen die beiden in ihren insgesamt sechs Hektar großen Kakaobestand, um zu ernten. Es ist feucht-warm, kurz nach Sonnenaufgang. Der tropische Boden atmet. Schweißtropfen perlen, während Vida, Justice und ihre Mitarbeiterinnen die Früchte von den Bäumen abtrennen, die Schalen aufschlagen und das weißlich-süßliche Fruchtmus, in dem sich die Kakaobohnen befinden, auf Bananenblätter ausbreiten.

Am Ende deckt Vida das breiige Mus mit weiteren Bananenblättern ab. Unter dieser Haube beginnt dann ein Fermentationsprozess, der nach sieben Tagen beendet sein wird; danach werden die Kakaobohnen aus dem Wald geholt und zu Hause getrocknet.

Seit drei Jahren arbeitet die Familie nach ökologischen Prinzipien. Sie setzt keine Pflanzenschutzmittel mehr ein, sie verzichtet auf Kunstdünger und bringt den Mist von elf Schweinen und einer Schar Hühner sowie die Schalen anderer Kulturen zwischen den Kakaobäumen aus, um den Boden ausreichend mit nährstoffreicher Organik zu versorgen.

Der Dialog mit der Natur ist aber gerade in Zeiten eines sich rasant und extrem verändernden Klimas nicht einfach. „Zum Glück sind wir durch die finanzielle Unterstützung von unserem Geschäftspartner finanziell abgesichert“, sagt Justice. „Glover nimmt uns die Kakaobohnen ab und wir sind über ihn krankenversichert.“

Nur rund einen Kilometer vom Hof der Bauernfamilie Bediako entfernt, in Suhum im Kakaogürtel von Ghana, befinden sich Lagerhalle, Büros und bald ein kleines Wasserkraftwerk sowie eine funkelnagelneue Weiterverarbeitung für Erdnüsse des Firmengründers Yayrator.

„Wir kämpfen dafür, dass die Kakaoproduktion in Ghana grün wird“, ist die Botschaft des charismatischen Ghanaers, der einst in der Schweiz arbeitete und vor 15 Jahren in sein Heimatland zurückkehrte. Der Visionär hat seither vieles bewegt. So beschäftigt Glover mittlerweile 80 Mit­ar­bei­te­r:in­nen und kauft die Bio-Ernte von rund 5.000 Kakaoerzeugern in der Umgebung auf. Dies sind rund 5.000 Tonnen, die bisher noch größtenteils in Europa zu Schokoladen verarbeitet werden.

Allerdings wird bereits ein Teil des von Glover aufgekauften Rohkakaos, des „schwarzen Goldes“, dessen Preise im letzten Winter historische Rekordpreise an den Warenterminbörsen dieser Welt erreichten, schon an Ort und Stelle verarbeitet. Und zwar in der deutsch-ghanaischen Schokoladenfabrik von fairafric, die während der Corona-Pandemie – in Sichtweite von Glover – errichtet wurde. Eine hochmoderne Millioneninvestition, die eine klare Absicht hat: endlich die Wertschöpfung des Kakao- und Schokoladenbusiness dort zu erzielen, wo der Rohstoff heranwächst.

„Jetzt sind sie in Europa“, sagt Mubarak Okyere von fairafric lachend, als wir eingehüllt in weißen Schutzanzügen durch die Fabrik stapfen. Penibel wird auf Hygiene geachtet. Mithilfe von Hightech werden hier täglich 80.000 Tafeln Schokolade hergestellt, viele Sorten vegan. Die größten Herausforderungen: eine sichere Energieversorgung, die zum Teil durch Photovoltaik auf dem Dach abgedeckt wird, sowie durch eine fachgerechte Wartung der Maschinen.

Dabei ist die Veredelung des Rohkakaos in Ghana als auch in der benachbarten Elfenbeinküste – die mit Abstand weltweit größten Erzeugerländer – nach wie vor die Ausnahme. Obschon die ghanaische Kakao-Wirtschaft im Jahr 2021 einen Umsatz von rund 500 Millionen Euro erzielte, wäre angesichts des weltweiten Schoko-Heißhungers noch weit mehr möglich. Denn immer ist es weiterhin so, dass zwar 70 Prozent der globalen Rohkakaoproduktion aus Westafrika stammen, aber nur rund ein Prozent der globalen Schokolade aus dieser Region kommt.

Dabei sind mehrere Millionen Menschen in Ghana im Kakaobusiness beschäftigt, die meisten als Anbauer in der Landwirtschaft, aber auch im Transportsektor und im Handel. Allerdings gibt es in Ghana wie auch in Elfenbeinküste, Togo und Benin eine ganze Reihe von großen Herausforderungen, denen sich die afrikanischen Kakaobauern zu stellen haben.

70 Prozent des globalen Rohkakaos, aber nur 1 Prozent Schokolade

So werden an vielen Orten Kakaoparzellen abgeholzt, um stattdessen nach Gold und anderen wertvollen Metallen zu graben. Des Weiteren reicht die natürliche Bestäubung oft nicht mehr aus, um nachhaltige Erntemengen bei sich verändernden Witterungsbedingungen und zugleich steigendem Krankheitsbefall zu erzielen.

Dabei bringe, räumen Fachleute vom staatlichen Ghana Cocoa Board ein, der in den letzten Jahrzehnten praktizierte „konventionelle“ Anbau oft nur noch stagnierende oder sogar fallende Ernten hervor. So wirke sich der alleinige Einsatz von Mineraldüngern ohne organische Frachten langfristig schlecht auf die Böden aus – auf Dauer versalzen und versauern sie.

Insofern ist es kein Wunder, dass viele gebannt auf die Aktivitäten von Glover und fairafric sowie weiteren Akteuren im sozialökologischen Segment blicken.