piwik no script img

Was wird aus dem Freiraum?

Den Rückbau von Hauptstraßen propagiert eine neue Ausstellung

Die Hauptstraße der Zukunft werde die heutige Raumaufteilung umkehren, ist Friedemann Kunst überzeugt. „Zwei Drittel des Raums werden für Bahn und Bus, Rad- und Fußverkehr zur Verfügung stehen.“ Kunst ist Vorsitzender der Landesgruppe Berlin der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung und einer der Zitatgeber für die große Freiluftschau über Berlins Straßen, die seit Donnerstag auf dem Mittelstreifen des Boulevards Unter den Linden zu sehen ist.

Nicht nur um die Geschichte der Straßen geht es darin, sondern auch um Ideen für den Rückbau großer Verkehrsschneisen wie der Mollstraße oder der Holzmarktstraße in Mitte. Warum aber hat der Architekten- und Ingenieurverein (AIV), der die Ausstellung verantwortet, nicht die Spandauer Straße mit aufgenommen?

„Die Spandauer Straße ist der Lackmustest für den Rückbau der Hauptstraßen in Berlin“, sagt Ephraim Gothe, SPD-Mitglied und Baustadtrat in Mitte. Der Bezirk kann sich die Schneise, die das Rathausforum vom Marx-Engels-Forum trennt, gern auch ohne Autos vorstellen. Doch verantwortlich für den Rückbau ist nicht der Bezirk, sondern Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU).

Noch in diesem Jahr beginnen die vorbereitenden Maßnahmen für den Umbau des Marx-Engels-Forums. „Wir starten mit dem Spreeufer bis zur Spandauer Straße“, sagt Landschaftsarchitekt Stephan Lenzen. Sein Büro RMPSL hatte 2021 den Freiraumwettbewerb für die Umgestaltung des mehr als 7 Hektar großen Areals zwischen Fernsehturm und Spree gewonnen. 33,9 Millionen Euro soll die Gestaltung des neuen grünen Freiraums in der Berliner Mitte kosten.

Der Landschaftsarchitekt möchte auch die beiden Teilräume des Wettbewerbsgebiets zusammenführen. Doch noch durchschneidet die vierspurige Spandauer Straße samt ihren überdimensionierten Standstreifen den neuen Freiraum im Herzen Berlins.

Ob und in welchem Maße sie zurückgebaut wird, war allerdings nicht Gegenstand des Freiraumwettbewerbs. Vom Vorgängersenat war in der Auslobung für den Wettbewerb der Autoverkehr je Richtung auf eine Spur reduziert worden. Verkehrssenatorin Bonde hat bereits deutlich gemacht hat, dass sie die Anti-Fahrrad- und Pro-Autopolitik ihrer zurückgetretenen Vorgängerin Manja Schreiner fortsetzen möchte. Die Reduzierung des Autoverkehrs auf eine Spur, teilt Bondes Sprecherin Petra Nelken auf Nachfrage mit, sei nur im „Ideenteil“ der Auslobung erfolgt. Nun aber gehe es um den „Realisierungsteil“. Und da stehe eine „Überprüfung und Konkretisierung aus verkehrsplanerischer Sicht“ noch aus. Entscheidend sei der „Masterplan“ für die Berliner Mitte, den ihre Verwaltung gerade erarbeite.

Damit will sich Theresa Keilhacker nicht abfinden. Sie verweist auf das Ergebnis des Bürgerbeteiligungsverfahrens „Alte Mitte – neue Liebe“ von 2015 und die zehn Bürgerleitlinien, die daraus hervorgegangen waren. „In der Bürgerleitlinie 7 steht, dass die Berliner Mitte verkehrsberuhigt und leiser wird“, sagt die Präsidentin der Berliner Architektenkammer.

Auch Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe hofft, dass sich die Vernunft am Ende durchsetzt. Uwe Rada

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen