Die Rückschaustelle

Seit 1996 lockt Berlin jeden Sommer Touristen und Einheimische zur Baustellenbesichtigung. Die nun startende zehnte Schaustelle wird die letzte sein. Der Stadtumbau ist weitgehend abgeschlossen

VON UWE RADA

Von allen Abschiedsworten hat Hans Kollhoff das schönste gefunden. „Ein Ende nach zehn Jahren ist ein melancholischer Moment, den man genießen kann“, sagte der Architekt, dessen neuer Alexanderplatz immer noch der Bebauung harrt. „Nun wird die ganze Stadt zur Schaustelle.“

Es herrschte tatsächlich ein melancholischer Blick zurück, als Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und der Chef der Marketinggesellschaft Partner für Berlin, Friedrich-Leopold Freiherr von Stechow, gestern die zehnte und damit auch letzte „Schaustelle Berlin“ vorstellten. „Als die Schaustelle 1996 begann, war das nicht nur die Neugierde auf das, was auf den Baustellen passierte, sondern auch der Wunsch, dabei zu sein, wenn das neue Berlin entsteht“, sagte Junge-Reyer mit Blick auf ebenjene neue Mitte, die ihr im 21. Stock des DB-Towers am Potsdamer Platz zu Füßen lag. „Es ist uns zum Beispiel gelungen, ein Regierungsviertel in der Mitte der Stadt zu gestalten, das nicht abgeschottet ist, sondern ein Beispiel für eine gelebte Hauptstadt.“ Ähnlich sentimental wurde auch Kollhoff beim Blick aus dem gläsernen Hochhausturm, auch wenn der dem seinen gegenüber von Anfang an die Show gestohlen hat. „Viele haben nicht geglaubt, dass diese Mitte zwischen Ost und West wirklich einmal ein Scharnier werden könnte. Dass es das dennoch geworden ist, grenzt an ein surreales Phänomen.“

Und weil Neuberliner sich mindestens genauso freuen können wie die Ureinwohner, durfte auch Susanne Wegerhoff, die neue Leiterin der Unternehmenskommunikation der Bahn und damit die Hausherrin der gestrigen Präsentation, die Hauptstadt loben. „Berlin ist eine tolle Stadt, die schönste von den Städten in Deutschland, in denen ich bisher gelebt habe.“ Schöner hätte es auch Ulli Zelle, der brave Reporter des RBB, nicht formulieren können, der bei der Presseshow gewohnt ironiefrei durchs Programm führte.

Bei so viel Selbstlob und Sentimentalität wäre das Programm der letzten Schaustelle fast ins Hintertreffen geraten – und das wäre schade gewesen. Denn die zehn Tage der offenen Baustellentüren mit insgesamt 283 Veranstaltungen können sich durchaus sehen lassen. Von den Großbaustellen, die sich dem Publikum präsentieren, gehören die Galeria Kaufhof am Alex, der Bahnhof Papestraße und das Köbis-Dreieck im Tiergarten sicher zu den Highlights. Gleiches gilt für die Technik in der Südseesimulation Tropical Islands und das Domaquarée in der Karl-Liebknecht-Straße. Einziger Wermutstropfen: Die Baustelle Lehrter Bahnhof kann nicht besichtigt werden. „Logistische und Sicherheitsprobleme“, sagte dazu Bahnsprecherin Wegerhoff.

Doch das tat der Freude der Beteiligten keinen Abbruch, gehört doch die Bahn zu den treuesten Partnern der Schaustelle, wie von Stechow wortreich lobte. Und wohl auch zu den potentesten Unterstützern. Doch über die finanzielle Seite der Schaustelle wollte von Stechow gestern nicht reden. Nur so viel: „Es hat Geld gekostet, und es gab einen Spillover-Effekt.“ Sprich: Es kommt auch Geld wieder rein.

Bleibt die Frage nach dem Danach. Schaustellen gab und gibt es inzwischen auch in anderen Städten, was den Chef von Partner für Berlin nicht stört. „Plagiate sind immer das beste Kompliment, dass etwas funktioniert.“ Für die Zukunft kann sich von Stechow vorstellen, die Themen Wissenschaft und Kreativität stärker in den Vordergrund zu stellen. Ganz von einer „Baustelle als Schaustelle“ kann er aber dennoch nicht lassen. „Wenn jemand auf die Idee kommen sollte, eine lange Nacht der Architektur zu machen, werden wir ihn sicher unterstützen.“