Textilbranche in Bangladesch: Krise könnte zu Engpässen führen

Durch die Unruhen standen Textilfabriken in Bangladesch teils still, jetzt soll die Armee sie schützen. Folgen für Ver­brau­che­r*in­nen sind denkbar.

Bangladesch ist einer der größten Kleiderproduzenten der Welt Foto: K M Asad/dpa

DHAKA/BERLIN dpa/taz | Die Regierungskrise in Bangladesch könnte sich auf Ver­brau­che­r*in­nen weltweit auswirken. Der Handelsverband Deutschland hält steigende Preise und mangelnde Verfügbarkeit bei Modeartikeln für möglich. „Als wichtiger Produktionsstandort für die globale Modeindustrie können kurzfristige Fabrikschließungen und Produktionsunterbrechungen zu Engpässen führen“, sagte Verbandschef Stefan Genth der Deutschen Presse-Agentur.

In Bangladesch gab es zuletzt gewaltsame Proteste. Die Regierung der inzwischen geflohenen, zunehmend autoritären Ex-Premierministerin Sheikh Hasina ordnete daraufhin Ausgangssperren an und ließ Polizei und Militär aufmarschieren. Berichten zufolge kamen dabei mehr als 400 Menschen ums Leben.

Die Unruhen wirken sich auch auf die Wirtschaft vor Ort aus. Von der bangladeschischen Handelskammer heißt es, es habe zuletzt Plünderungen, Zerstörungen und Brandanschläge auf etliche Textilfabriken gegeben. Viele Betriebe seien die letzten paar Tage geschlossen geblieben – aus Angst vor neuen Angriffen angesichts der Abwesenheit von Ordnungskräften, berichtete M Maksud, Präsident der Deutsch-Bangladeschischen Handelskammer.

Am Donnerstag wurde der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus als Chef einer Übergangsregierung vereidigt. Viele Fa­brik­be­sit­ze­r*in­nen hoffen, dass damit schnell die Normalität zurückkehrt. Tatsächlich soll vorerst sogar die Armee die Fabriken schützen. Die Regierung habe Soldaten in betroffene Industriebezirke geschickt, sagten Vertreter der Armee und der Industrie am Freitag. Zu diesem Zweck sei eine Spezialeinheit gebildet worden, wurde ein Armeekommandeur vom örtlichen Fernsehsender Jamuna zitiert.

Viele Fabriken wieder geöffnet

Bangladesch ist nach China das wichtigste Importland für Bekleidung für die Modebranche in Deutschland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2023 Waren im Wert von insgesamt 7,1 Milliarden Euro nach Deutschland eingeführt.

Der Geschäftsführer des Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren (BTE), Axel Augustin, meint: Sollte es zu längeren Produktionseinschränkungen kommen, seien Probleme bei einzelnen Marken und Händlern nicht auszuschließen. „Ich bezweifle allerdings, dass die Kunden das dann überhaupt bemerken, da gerade zu Saisonbeginn die Lager voll sind.“ Bei passenden Temperaturen könne gegebenenfalls auch noch Sommerware angeboten werden.

Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie verzeichnet aktuell keine spürbaren Auffälligkeiten, die aus der Situation in Bangladesch resultieren. Bisher habe man keinerlei Rückmeldungen über Störungen der Lieferketten, sagte eine Sprecherin. Der Verband vertritt hauptsächlich mittelständische Textil- und Modeproduzenten.

Viele große Unternehmen wie Zara, Hennes & Mauritz (H&M) und Kik lassen in erheblichem Umfang Kleidungsstücke in Bangladesch produzieren. Ein Sprecher des Textildiscounters Kik sagte auf Nachfrage: „Wir beobachten die Lage in Bangladesch sehr genau.“

Die oberste Priorität gelte in dieser angespannten Situation dem Wohl der Menschen vor Ort. Von Lieferanten in Bangladesch höre man, dass sich die Lage beruhigt habe und der Betrieb in den Fabriken wieder aufgenommen worden sei.

Die schwedische Modekette H&M teilte mit: „Nach neuesten Informationen werden die meisten Fabriken allmählich wieder geöffnet. Sicherheit hat weiterhin Priorität.“

Manche Marken wollen wieder mehr in Europa produzieren

Bangladesch gehört seit Jahren zu den wichtigsten Lieferländern von Bekleidung, zuletzt wurde das Land für die Modewelt und den Handel in Deutschland jedoch noch bedeutender, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Der Anteil Bangladeschs an den Importen stieg von 12 Prozent im Jahr 2013 auf zuletzt mehr als 20.

In dem südasiatischen Land gibt es knapp 4.000 Textilfabriken, die mehr als vier Millionen Menschen beschäftigen, vorwiegend Frauen. Das geht aus Zahlen der Vereinigung der Bekleidungshersteller und -exporteure in Bangladesch hervor. Pro Jahr erwirtschafte der Sektor demnach mehr als 46 Milliarden Dollar, das sind mehr als 80 Prozent des gesamten Exportvolumens des Landes. Die meisten Textilien werden in die USA und nach Europa geliefert.

Immer wieder steht der Sektor allerdings wegen desaströser Arbeitsbedingungen und schlechter Löhne in der Kritik. Die staatliche Mindestlohn-Kommission in Bangladesch hatte zwar im vergangenen Jahr verkündet, die Untergrenze werde von 8.000 Taka (66 Euro) monatlich auf 12.500 Taka (104 Euro) steigen. Gewerkschaften der Textilbeschäftigten in dem asiatischen Land hatten aber fast das Doppelte verlangt – und wurden dabei sogar von großen internationalen Marken unterstützt.

Mehrere Händler kündigten kürzlich an, ihre Produktion aus Asien weg verlagern zu wollen. Der Modekonzern Hugo Boss will wieder mehr in Europa und Amerika produzieren lassen. Das Verschicken der Ware von einem Kontinent zum anderen sei nicht mehr zeitgemäß, hieß es. Ein weiteres Motiv seien die geopolitischen Spannungen und als Folge daraus der Versuch, Abhängigkeiten zu verhindern.

Auch der Sportartikel-Händlerverbund Intersport will seine Eigenmarken weniger in Fernost produzieren lassen, sondern vermehrt in Europa und auch in Nordafrika. Begründet wurde dies mit schnelleren Lieferungen und einer größeren Unabhängigkeit von Asien. Zudem wolle man die Produktion in Europa unterstützen.

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