: Zeichnen mit Bewegung
TANZ Das aktuelle Stück „TeZuka“ des belgischen Choreographen Sidi Larbi Cherkaoui ist eine opulente tänzerische Hommage an den japanischen Manga-Zeichner Osamu Tezuka. Zu sehen ist das Stück nun bei den zehnten Movimentos Festwochen in Wolfsburg
VON ROBERT MATTHIES
Sidi Larbi Cherkaoui ist ein Kind der globalen Popkultur. Seine ersten Tanzschritte hat der belgische Choreograf, der in den letzten Jahren für seine innovative Arbeit in umjubelten Stücken wie „Babel“, „Sutra“ und „Play“ unter anderem dem Prix Nijinski, den Movimentos-Preis und den Kairos-Preis erhalten hat, vor MTV-Clips und Bruce Lee-Filmen geübt. Und dass er nun dem japanischen Mangazeichner Osamu Tezuka mit seinem aktuellen Ensemblestück „TeZuka“ eine opulente tänzerische Hommage widmet, geht ebenfalls auf den tiefen Eindruck zurück, den dessen Animefernsehserie „Astro Boy“ einst auf den Sohn eines muslimischen Marokkaners und einer katholischen Belgierin gemacht hat.
Denn vom „Manga no Kami-sama“, vom „Gott des Mangas“, wie man Tezuka seit den späten 60ern in Japan nennt, weil er als Zeichner oder Produzent mit rund 700 Bänden mit weit über 170.000 Blättern die Entwicklung des Mangas seit der Nachkriegszeit maßgeblich mitgestaltet und damit auch die internationale Comicwelt nachhaltig beeindruckt hat, hat Cherkaoui viel gelernt. Wie man Bildwelten vom ersten Strich auf weißem Papier, vom ersten Schritt auf einer leeren Bühne an zum Leben erweckt. Dass Tanz- und Comicbilder deshalb eine so ausdrucksstarke Sprache sind, weil man sie kulturübergreifend auf der ganzen Welt versteht. Dass man, als Tänzer und als Kalligraph, genau wissen muss, an welcher Stelle, mit wie viel Energie man Pinsel oder Fuß aufsetzen muss, damit das Zeichen gelingt. Und dass ein Choreograf im Grunde nichts anderes macht als ein Mangazeichner: er zeichnet Bilder mit Bewegungen.
Dabei hat sich Cherkaoui auch beim Erzählen seiner Geschichte vom „Tim Burton Japans“ inspirieren lassen: „TeZuka“ zeichnet das Leben des japanischen Vorbilds nicht ausgehend von biografischen Daten des Bildschöpfers als zusammenhängende Erzählung auf die Tanzbühne, sondern ist als immer wieder beginnendes Geschichtenerzählen entworfen, indem den Geschöpfen Tezukas in immer neuen Bildern tänzerisch Leben eingehaucht wird: inspirieren lassen hat sich Cherkaoui von der achtbändigen Graphic Novel „Buddha“ ebenso wie von Tezukas Manga-Alter-Ego Black Jack oder dem Superhelden aus dem Roboterzirkus Astro Boy.
Und so wie Tezuka in den 1950ern mit der Figur des atomgetriebenen Friedenskämpfers Roboter und Menschen verbunden hat, verbindet Cherkaoui auf der Bühne Tanz und Zeichnung. Da blättert ein Tänzer auf einer riesigen Leinwand in Tezukas Comic-Alben, spielen Tänzer mit riesigen gezeichneten Bällen, versieht der Video-Künstler Taiki Ueda getanzte Kung-Fu-Kampfszenen mit Comic-Spritzern aus Symbolen.
Das erste Mal in Deutschland zu sehen ist Cherkaouis Stück, das im Herbst am Londoner Sadler’s Wells Theatre Premiere gefeiert hat, übernächste Woche bei den Wolfsburger Movimentos Festwochen in Volkswagens Marken-„Kommunikationsplattform“ und Erlebnispark Autostadt. Die warten, auf ein üppiges Finanzkissen gebettet, auch dieses Jahr wieder mit einem spektakulären Programm auf: Bis Mitte Mai bringen die Festwochen unter dem Motto „Wahrheit, Wissen, Information“ insgesamt 65 Veranstaltungen an zwölf verschiedene Spielorte in der Region. Vor allem Tanzstücke, darunter die Europapremiere des aktuellen Stückes „Water Stains on the Wall“ des taiwanischen Tanzensembles Cloud Gate Dance Theatre, aber auch szenische Lesungen, Workshops und Konzerte: Peter Gabriel zum Beispiel – längst ausverkauft.
■ Wolfsburg: Di, 10. 4. bis So, 20. 5., Autostadt, www.movimentos.de