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: „Der Film ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen“

In der Reihe „Flickertunes“ performt Michael Barthel live seine Musik zu Nicolas Reys Filmessay „Sowjetmacht plus Elektrifizierung“

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Barthel, Nicolas Reys Film „Sowjetmacht plus Elektrifizierung“ wird kaum gezeigt. Welche Beziehung haben Sie denn zu ihm?

Michael Barthel: Als ich für die Reihe „Flickertunes“, in der Künst­le­r*in­nen Musik spielen, die sich jeweils auf den gezeigten Film bezieht, nach Bremen eingeladen wurde, habe ich mich an diesen Film erinnert. Ich habe ihn 2003 auf dem Dokfilmfestival in Leipzig gesehen. Bei der Vorstellung des drei Stunden langen Film sind immer mehr Leute aus dem Kino gegangen, sodass wir schließlich nur fünf waren, die ihn bis zum Schluss geguckt haben. Aber er ist mir über 20 Jahre lang nicht mehr aus dem Kopf gegangen, obwohl ich ihn seitdem nicht wieder gesehen habe.

taz: Rey hat hat Film auf einer Reise durch Russland im Jahr 1999 nur mit einer alten russischen Super-8-Kamera gedreht, bei der das Filmmaterial schon abgelaufen war. Was hat Sie an dem Film gereizt?

Barthel: Mich interessierte vor allem die Tonspur, weil sie gar nicht mit den Bildern korrespondiert. Nicolas Rey hat seine Texte während der Reise auf einem alten Diktiergerät eingesprochen und der Ton ist deshalb sehr verzerrt und es rauscht viel. Wenn man sich anhört, was ich in den letzten 20 Jahren gemacht habe, gibt es da eine starke Verbindung, die mir selber erst jetzt klar geworden ist: Meine Auftritte werden Sprechkonzerte genannt. Ich komme von der experimentellen Lyrik und arbeite viel mit Lo-Fi-Noise sowie mit eigenen Texten, die ich dann brülle oder schreie.

taz: Wie passt das zum Film?

Barthel: Bei diesem Auftritt werden ich nur Aufnahmen abspielen, die ich auf alten Diktafon-Geräten aufgenommen habe. Dieses Kassettenkonzert habe ich nur für die Vorführung in Bremen komponiert und es wird etwa zehn Minuten lang dauern.

Foto: Rolf Schoellkopf

Michael Barthel

geboren 1977, wuchs in Ost-Berlin auf und lebt seit 2002 in Leipzig. Er arbeitet seit 1994 in den Bereichen experimentelle Lyrik und Lo-Fi-Noise.

taz: Warum so kurz?

Barthel: Mir gefällt der Kontrast zwischen einem extrem kurzen Konzert und einem extrem langen Film.

taz: Wird dann bei Ihrer Performance nichts auf der Leinwand gezeigt?

Barthel: Doch, ich werde auch einen Film zeigen, den ich selber gemacht habe und in dem ich mit der Farbe Schwarz arbeite. Denn in dem Film von Nicolas Rey gibt es auch lange Passagen, in denen es auf der Leinwand nur schwarz ist.

taz: Kann man überhaupt etwas verstehen, wenn der Ton beim Film so verrauscht ist und der Regisseur außerdem Französisch spricht?

Ton-Bild-Performance von Michael Barthel und 16mm-Screening des experimentellen Dokumentarfilms „Sowjetmacht plus Elekrifizierung von Nicolas Rey:

Sa, 17. 8., 20 Uhr, Bremen, City 46

Barthel: Die Kopie hat deutsche Untertitel. Aber als ich den Film damals in Leipzig gesehen habe, wurde er nicht vollständig auf die Leinwand projiziert und die Untertitel waren unten abgeschnitten. So gab es noch einen Verlust. Das fand ich ganz toll.

taz: Dann ist es ja schon fast ein Stilbruch, wenn der Film diesmal korrekt vorgeführt wird.

Barthel: Ja, stimmt! Mal sehen, wie die vom Kino damit umgehen.