Nigerias Protestbewegung lehnt Dialog ab: „Messer an die Kehle“

Die Protestbewegung gegen Nigerias Präsident Bola Tinubu geht erneut auf die Straße. Vergeblich hatte Tinubu in einer TV-Ansprache Dialog angeboten.

Proteste gegen die Regierung am 5. August im nigerianischen Lagos Foto: Sunday Alamba/ap

ABUJA taz | Die Protestbewegung in Nigeria gegen die Verschlechterung der Lebensumstände und für den Rücktritt von Präsident Bola Tinubu geht erneut auf die Straße. Eine angespannte Woche ist angebrochen, nachdem Sprecher der Protestierenden ein Dia­log­an­gebot zurückwiesen, das Präsident Tinubu in einer Fernsehansprache gemacht hatte.

In seiner landesweit übertragenen Ansprache am Sonntagabend hatte der 72-jährige Tinubu an die zumeist jugendlichen Demonstranten appelliert, „für die Einheit und den Fortschritt unsere Nation zusammenzukommen, Proteste einzustellen und uns dem Dialog zuzuwenden“. Die teils gewaltsamen Proteste hätten „unvorstellbaren Schmerz und Verlust, vor allem für die Angehörigen jener, die tragischerweise ihr Leben verloren haben“, verursacht.

Tinubu verteidigte seine Bilanz seit seinem Wahlsieg 2023: Die Regierung habe ihre Einnahmen verdoppelt, den Schulden­dienst verringert, wichtige Infrastrukturmaßnahmen begonnen, Einfuhrzölle auf lebenswichtige Lebensmittel und Medikamente für sechs Monate ausgesetzt und landwirtschaftliche Güter aus den USA, Brasilien und Belarus eingekauft, die auf dem Weg nach Nigeria seien.

Opposition sieht leere Worte

Doch Oppositionelle zeigten sich am Montag unbeeindruckt. Das Organisationskomitee der Protestbewegung „End Bad Governance in Nigeria“ sagte, es sei zwar „ein wichtiger Sieg für unsere Bewegung, dass der Präsident beschloss, sich der Nation zuzuwenden“; dies sei „ohne unseren Mut und unsere Entschlossenheit nicht geschehen“. Dennoch sei Tinubus Rede eine Enttäuschung, und „der Präsident kann uns nicht gleichzeitig die Hand reichen und ein Messer an die Kehle halten“.

Bündnis „End Bad Governance“

„Der Präsident kann uns nicht gleichzeitig die Hand reichen und ein Messer an die Kehle halten“

Demola Olarewaju, Sprecher des wichtigsten politischen Oppositionsführers Atiku Abubakar, sprach von einer „schlechten Rede, die nichts gegen die unmittelbaren Probleme der Massen aufbietet“. Der Dachverband der politischen Parteien Nigerias CNPP (Conference of Nigeria Political Parties) nannte Tinubus Rede „deutlich ungenügend“: es gebe keine Maßnahmen gegen den Kaufkraftverlust der Bevölkerung seit Abschaffung der Benzinpreissubventionen.

Polizeigewalt auch gegen Journalisten

Die Proteste unter Parolen wie „End Bad Governance“ und „Tinubu Must Go“ hatten am vergangenen Donnerstag begonnen und arteten in zahlreichen Städten in Gewalt aus. Nigerias Polizei bestätigte sieben Tote, andere Quellen nannten über 20. Auch in den darauffolgenden Tagen kam es zu Auseinandersetzungen. Vermummte Sicherheitskräfte sollen gezielt Journalisten beschossen haben. Beim zentralen Moshood-Abio­la-Stadion in der Hauptstadt ­Abuja wurde ein klar als „Presse“ markiertes Auto getroffen.

Die Menschenrechtsgruppe Amnesty International (AI) übte scharfe Kritik am Verhalten der Sicherheitskräfte, aber auch an mutmaßlich gekaufter Schlägertrupps, die Gewalt schürten. AI verwies auf einen Vorfall im nordnigerianischen Kano, bei dem zehn Menschen getötet wurden, und verlangte eine Untersuchung.

Die Proteste werden jetzt fortgesetzt und sollen bis mindestens Samstag weitergehen. In einigen Landesteilen stößt dies auf das Hindernis, dass die Behörden ganztägige Ausgangssperren verhängt haben.

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