Tiktok und Lesefest

Die Buchbranche zwischen Bangen und Hoffen

Nachrichten vom permanenten Strukturwandel der Öffentlichkeit: Was den institutionellen Unterbau von Literatur und Lesen betrifft sowie ihre wirtschaftlichen Aspekte, gibt es derzeit ein, nun ja, uneinheitliches Meldungsbild. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen werden gerade mal wieder Literatursendungen gestrichen (die taz empörte sich). Gleichzeitig feierte die Literaturszene beim Bachmannpreis in Klagenfurt ein recht gelungenes Lesungsfest (die taz berichtete), und es war beruhigend zu hören, dass sowohl der Wettbewerb selbst als auch seine Medienpräsenz für die nächsten Jahre gesichert sind. Hervorzuheben ist auch das Engagement des Deutschlandfunks, der nicht nur ausgiebig berichtet hat, sondern dessen Intendant höchstselbst nach Klagenfurt gefahren ist, um dort bei der Preisverleihung dabei zu sein – auch solche Zeichen sollte man wahrnehmen.

Und dann gab der Börsenverein des Deutschen Buchhandels auch noch seine jährliche Pressekonferenz mit den Wirtschaftsdaten der Buchbranche. Im Allgemeinen sah es zuletzt gar nicht so schlecht aus, der Umsatz der Branche insgesamt ist um 2,8 Prozent auf 9,7 Milliarden Euro gestiegen, was sich – zumal in den gegenwärtig schwierigen Zeiten – erst mal ganz gut anhört, wobei man aber auch gleich anfügen sollte, dass dieses globale Plus vielen kleineren Literaturverlagen, die über hohe Druckkosten und gestiegene Remittentenzahlen klagen, nicht wirklich hilft. Peter Kraus vom Cleff, der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, forderte denn auch eine öffentliche Förderung kleiner Verlage zum Erhalt der Vielfalt auf dem Buchmarkt.

Interessant an den aktuellen Wirtschaftsdaten ist aber auch, dass sich mit ihnen ein Trend, der in der Branche unter dem Begriff Booktok zuletzt bestaunt worden ist, tatsächlich belegen lässt. So stieg vor allem der Buchumsatz in der Belletristiksparte, und zwar um 7,7 Prozent, und dieser Zuwachs resultiert zum großen Teil aus dem steigenden Interesse jugendlicher Le­se­r*in­nen zwischen 16 und 19 Jahren. „Liebesromane für junge Erwachsene verkaufen sich sehr gut“, kommentierte trocken die FAZ bezeichnenderweise auf ihren Wirtschaftsseiten und ergänzte: „Rund ein Drittel der jungen Menschen wird über Social-Media-Kanäle auf neue Bücher aufmerksam.“ Kurz: An Tiktok kommt man in der Literaturbranche wirklich nicht mehr vorbei.

Interessant zu verfolgen wird sein, was aus diesen jüngeren Leserinnen und Lesern wird, wenn sie älter werden. Bleiben sie bei den Romance- oder New-Adult-Titeln? Oder hören sie mit dem Lesen wieder auf? Oder rutschen sie irgendwann rüber in die literarischen Hauptprogramme? Hoffen darf man ja.

Dirk Knipphals