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Archiv-Artikel

Katrin Bettina Müller schaut sich um in den Galerien von Berlin

Nicht auf dem Papier, sondern mit dem Papier zeichnen, nicht auf der Fläche, sondern in den Raum hinein: Mit der Schere rückt die englische Künstlerin Charlotte McGowan-Griffin großen Papierbögen auf den Leib und höchst dramatisch ordnet sie an, was nach dem Schneiden und Schlitzen von der Fläche übrig blieb. Sehr erzählerisch ist die Installation „The Origin of the World“ aus sieben schwarzen Papierbahnen, die im Zentrum in Zacken und Fetzen, die sich nun überlappen und durchdringen, geschnitten sind. Das gleicht einem Bombenkrater in einem zerschossenen Gebäude, dessen Eingeweide jetzt nach außen hängen. Man denkt an die Schwarzen Löcher und den Urknall. McGowan-Griffin zeigt in ihrer Ausstellung „The Rings of Saturn“ in der Galerie Fruehsorge noch mehr solcher himmelsstürmender Gebilde. Die Titel tun ein Übriges, um sich in eine fantastische Welt aus Chaos und Ordnung hineinzuimaginieren.

Skulpturen aus Papier, das war auch eine Erfindung der frühen Minimalisten. Die Kunstsammlung von Daimler ist reich an Werken aus den sechziger Jahren, als nur wenige deutsche Künstler dem hierzulande noch kaum bekannten amerikanischen Minimalismus eigene Konzepte entgegenstellten. Walter de Maria hat den Raum einer Münchner Galerie mit Erde aufgeschüttet, Ulrich Rückriem arbeitete mit rohen Steinplatten, Charlotte Posenenske formte industrielle Bausätze aus Wellpappe nach, Hanne Darboven begann ihre serielle Schreibarbeit: Die Schau „Minimalism in Germany. The Sixties II“ lässt staunen, welch radikale Reduktionen der Form damals schon entstanden. Am lustigsten bei Franz Erhard Walther, der Handlungen wie Falten, Stapeln, Einwickeln als bildhauerische Prozesse inszenierte und dafür stets Freunde als Darsteller brauchte – bei ihm vermisst der Minimalismus den Spielraum des Menschen.

■ Charlotte McGowan-Griffin, „The Rings of Saturn“, Galerie Fruehsorge, Heidestr. 46–52, 10557 Berlin, Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 21. April

■ „Minimalism in Germany“, Daimler Contemporary, Alte Potsdamer Straße 5, 10785 Berlin, tägl. 11–18 Uhr, bis 9. September