: Flaschenpost statt Whatsapp
Schleswig-Holstein verbietet Schüler:innenvertretungen Whatsapp und andere soziale Medien. Die antworten mit einer ironischen Aktion und kritisieren die Bildungsministerin
Von Robert Matthies
Wenn Schüler:innen heute über Entfernungen hinweg kommunizieren, nutzen sie Whatsapp, Tiktok oder Instagram. Doch wenn sie als Schüler:innenvertreter:innen in Schleswig-Holstein handeln, begeben sie sich auf rechtlich dünnes Eis. Dasselbe gilt für die Elternvertretungen. So jedenfalls äußerte sich Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) in ihrer Antwort auf eine Anfrage des SPD-Bildungspolitikers Martin Habersaat.
Der wollte wissen, wie es um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Schüler:innen- und Elternvertretungen steht, die die schwarz-grüne Regierung 2022 im Koalitionsvertrag vereinbart hatte und welche Regeln für soziale Medien gelten. Das Ministerium antwortete: „Die Nutzung sozialer Netzwerke wie Tiktok, Instagram und Whatsapp im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben als Eltern- und Schülervertretung wird als rechtlich nicht zulässig eingeschätzt.“
E-Mails seien zwar zulässig. Das gilt aber nicht für die privaten Adressen. Flächendeckend entsprechende Adressen zur Verfügung zu stellen sei laut Ministerium aber „im Rahmen der Landesdienste aus organisatorischen Gründen ausgeschlossen“. Schließlich müsste jemand das einrichten, Änderungen bei der Zugangsberechtigung dokumentieren und bei der Anmeldung und dem Zurücksetzen der Passwörter behilflich sein. Das sei mit den personellen Ressourcen nicht zu leisten.
Die Antwort der Landesschüler:innenvertretung (LSV) kam nun per E-Mail – vom Account des Lübecker Stadtschüler:innenparlaments. „Um im rechtlich sicheren Rahmen zu bleiben“ hätten sie beschlossen, „dass die Flaschenpost ab sofort unsere bisherigen Kommunikationswege ersetzt. Mitteilungen, Stellungnahmen und Briefe werden fortan per Flaschenpost verbreitet“. Die Einhaltung von Fristen werde am Datum des Fundes gemessen.
Auch die Schüler*innenvertretung solle man nur noch per Flaschenpost kontaktieren. „Hierfür sollten die Flaschen samt Inhalt in fließende Gewässer geworfen werden.“ Glasflaschen bitte, der Umwelt zuliebe. Es handele sich aufgrund „unserer Unerfahrenheit im Bereich der Kommunikation mit Flaschenposten“ vorerst um einen Test, der bald evaluiert werde.
Eindeutig ein Scherz. Die Flaschenpost-Aktion hat aber ein ernstes Anliegen. Natürlich kommunizierten die Schüler:innen über Whatsapp, andere Kommunikationskanäle seien gar nicht praktikabel, erklärt Kalle Demmert. Er ist Stadtschüler:innensprecher in Lübeck sowie Vorstandsmitglied der Landesschüler:innenvertretung der Gymnasien in Schleswig Holstein und hat die Aktion initiiert. „Wir würden gern sichere E-Mail-Adressen nutzen“, sagt er. Aber viele Kreisschüler:innenvertretungen bekämen von ihrer Kommune weder eine E-Mail-Adresse noch ein Postfach gestellt.
Seit Jahren fordern die Schüler:innenvertretungen bereits eine EDV-Infrastruktur, damit sie ihre Arbeit machen können. Dazu gehören E-Mail-Adressen, ein eigener Messengerdienst und die Möglichkeit, Dokumente und Daten sicher in einer Cloud ablegen zu können. Aber da passiere nichts, sagt Demmert. Dass das an mangelnden personellen Ressourcen scheitert, versteht er nicht. An jeder Schule werden zig E-Mail-Adressen von Lehrer:innen verwaltet. Da könne es doch kein Problem sein, wenn eine für die Schüler:innenvertretung dazukomme.
Landesschüler*innenvertretung Schleswig-Holstein
Abgesehen davon seien E-Mails, E-Mail-Verteiler und Newsletter längst „kein gängiges und niedrigschwelliges Kommunikationsmittel innerhalb unserer Generation“ mehr, schreibt die Landesschüler:innenvertretung. Ein Großteil der E-Mails gehe ohnehin in den Sekretariaten und bei den Schulleitungen unter und erreiche ihr Ziel nie. Dass es rechtswidrig ist, stattdessen über Whatsapp & Co. zu kommunizieren, verstehen sie nicht. Sie seien darauf angewiesen, niedrigschwellig und zeitgemäß mit ihren Mitschüler:innen zu kommunizieren.
Der Sprecher von Bildungsministerin Prien bestätigt der taz das Whatsapp-Verbot. „In der Tat dürfen soziale Netzwerke nicht für die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben genutzt werde. Abstimmungen zwischen den LSV’en über Inhalte oder personenbezogene Daten zum Beispiel dürfen nicht über die Messengerfunktion von Instagram erfolgen.“ Die Öffentlichkeit über die Arbeit der Schüler:innenvertretungen zu informieren, sei jedoch möglich, „dies erfolgt ja genau auf den Kanälen, auf denen Schülerinnen und Schüler über ihre Teilhabemöglichkeiten informiert werden können“. Dass sie sich über soziale Medien an ihre Vertretungen wenden, sei verständlich. Es bleibe aber ebenso wichtig, „dass auch eine Schülervertretung ein Bewusstsein dafür hat, was datenschutzrechtlich vertretbare Kommunikationswege sind“.
Ein Bewusstsein für den Datenschutz hätten die Schülervertreter:innen sehr wohl, sagt Demmert. Gerade deshalb forderten sie ja, dass ihnen eine entsprechende Infrastruktur zu Verfügung gestellt wird. „Wir wünschen uns“, schreiben die Schüler:innenvertreter:innen grundsätzlich, „dass sowohl die Kommunen, als auch die Landesregierung zukünftig besser auf uns zukommen, um uns in unserem Engagement zu unterstützen, sodass auch künftig die Perspektive der Schüler:innen, welche ohnehin häufig auf zu wenig Gehör stößt, Einfluss auf politische Prozesse nehmen kann“.
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