: BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER Man muss es mögen, dann ist es ein Gedicht
Jan Feddersens Gastrokritik: In einem dänischen Lokal namens „Smørrebrød“ im Prenzlauer Berg isst man Frikadellen ohne Senf, stellen Sie sich vor
Kindheitserinnerungen hängen an ihnen: Brote, vollkörnig, nie aus Weißmehl, fett und bunt belegt, mit Orangenschnitzchen und geraspeltem Meerrettich, Aspikstreiflein … Sie heißen Smørrebrød, das sind belegte Brote dänischer Art – und das Erstaunliche ist, dass sie selbst in Kopenhagen kaum mehr angeboten werden. Auch dort, im Kernland der Smørrebrød (heißt: geschmierte Brote), haben Pizze und Ciabatte den Kampf um den Appetit zwischendurch offenbar gewonnen.
Es soll Dänen geben, die eigens nach Berlin reisen, um diese Brote essen zu können: Jens Krompholz heißt der Meister, der im Prenzlauer Berg einen sehr feinen, sehr skandinavisch anmutenden Laden aufgemacht hat. „Smørrebrød“ heißt er und liegt leider nicht dort, wo es Laufkundschaft gibt, sondern in der Husemannstraße, wo krähende Familien den Ton angeben.
Aber Krompholz lässt sich nicht entmutigen, sagt er, davon überzeugt, dass es diese kulinarische Nische geben muss. Und die hat er konsequent in Besitz genommen. Die Stühle hell, die Wände sahneweiß, die Lampen direkt, aber ohne Schnickschnack. Edel-ikeask sozusagen – wenn an der Stirnseite nicht ein riesiges Ölbild der königlichen Familie prangte. Die Monarchin, Margrethe II., im Mittelpunkt. Leider fehlt es an Aschenbechern, was die Königin irritieren würde, schließlich hat sie in Amalienborg, Kettenraucherin, die sie ist, überall Gefäße verteilen lassen, in die sie aschen kann.
Das Essen … man muss es mögen, aber dann ist es ein Gedicht. Würstchen, Buletten, Spiegelei, Remoulade, krispige Zwiebeln, eingelegter Fisch in einer Fülle von Variationen. Krompholz bietet nichts in seinem Laden, was nicht dänischer Provenienz ist. Auch die Getränke, ebenso die Süßigkeiten, Lakritz von außerordentlich süßsaurer Art. Lecker. Der Laden bietet im Übrigen einen Cateringservice, den nutzen sollte, wem nach Fingerfood asiatischer Weise nicht mehr ist – oder wer überhaupt mal etwas Originelles möchte. Preislich ist alles von moderater Kalkulation. Ein Madpakke, ein Lunchpaket also, kostet mit vier Broten 3,80 Euro, die Frikadellen mit Rotkohl und Gurkensalat („Lune Frikadeller m. rødal og agurkesalat“) gibt es für 3,60 Euro, der Außerhausdienst bietet eine ganze Platte für 10 Euro.
Witzig und eigen, dass die Frikadellen ohne Senf gegessen werden mögen – Senf zu Fleischklopsen sieht die dänische Küche nicht vor: Ausweis einer kulturellen Zuspitzung, die man inmitten der polyglotten Einöde gern mal hinnimmt. Krompholz, der Däne, der sich die Kindheitserinnerung nicht nehmen lässt, hätte sich vielleicht die Lage seines Ladens überlegen sollen: Es sollte nicht an ihr scheitern, dass er weitermacht.
SMØRREBRØD, Husemannstr. 25, 10435 Berlin, U-Bahn Eberswalder Straße, Fon (0 30) 44 04 68 30. Brote ab 1,60 Euro – sie werden frisch zubereitet. Getränke: dänisch durchweg