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Archiv-Artikel

Enttäuschte Ausnahmefrau

Gretel Bergmann soll als scheinbar integrierte „Alibijüdin“ bei den Olympischen Sommerspielen 1936 im Berliner Olympiastadion für Deutschland starten

Im „Lexikon des deutschen Sports“ sucht man ihren Namen bis heute vergeblich. Dabei war Gretel Bergmann fast ein Jahrzehnt lang eine der erfolgreichsten und vielseitigsten Sportlerinnen. Jetzt kommt die Verfilmung ihrer Geschichte unter dem Titel „Berlin ’36“ ins Kino.

1914 als Kind einer jüdischen Unternehmerfamilie im schwäbischen Laupheim geboren, tritt die Leichtathletin 1930 in den Ulmer Fußball-Verein 1894 ein. Bergmann dominiert schnell den Hochsprung, stellt im Jahr 1931 mit 1,51 Meter den deutschen Rekord auf. So normal sich das sportliche Leben der jüdischen Ausnahmeathletin in der Weimarer Republik noch gestaltete, umso tragischer wendete es sich ab dem Jahr 1933.

Bereits im April schließt der Ulmer Klub seine erfolgreichste Sportlerin aus. Bergmann emigriert ein halbes Jahr später nach Großbritannien, wo sie 1934 britische Meisterin im Hochsprung mit 1,55 Meter wird. Im selben Jahr nötigen sie die Nationalsozialisten zu einer Rückkehr nach Deutschland. Gretel Bergmann soll als scheinbar integrierte „Alibijüdin“ bei den Olympischen Sommerspielen 1936 im Berliner Olympiastadion für Deutschland an den Start gehen. Damit soll zugleich ein Boykott der US-amerikanischen Mannschaft verhindert werden. Am 27. Juni 1936 stellt Bergmann im Stuttgarter „Adolf Hitler-Stadion“ den Deutschen Rekord mit 1,60 Meter ein. Die damals wie heute mächtigste Sportnation USA lässt sich von der Scheinnominierung der Nazis beschwichtigen. Am 16. Juli 1936 macht sich das US-Team von New York aus mit dem Schiff nach Deutschland auf. Einen Tag später wird Gretel Bergmann aus dem deutschen Team geworfen. Der Öffentlichkeit wird mitgeteilt, sie sei verletzt.

„Ein böses Erwachen aus einem wunderschönen Traum“, erinnert sich Bergmann später in ihrer Biografie. 1937 schließlich wandert sie in die USA aus. Auch dort gelangt sie zu Meisterschaftsehren. Zunächst im Kugelstoßen und 1938 noch einmal im Hochsprung. In New York heiratet Bergmann den ebenfalls emigrierten Arzt Bruno Lambert. Gretel Bergmann nennt sich fortan Margarete Lambert und spricht seitdem kein Wort Deutsch mehr. Sie ist 95 Jahre alt und lebt heute in New York. Der Film „Berlin 36“ erzählt ihre Geschichte. TORSTEN HASELBAUER