: Nur mit Tempo sechzig in den Westen
Der längste Castor-Straßentransport rollt begleitet von Protest auf der Autobahn von Dresden nach Ahaus 600 Kilometer durch die Republik. Bei der Blockade vor dem Ahauser Brennelemente-Lager will auch die zukünftige Exministerin Höhn mitmachen
AUS DRESDEN UND BERLINM. BARTSCH UND N. REIMER
Kurz hinter Glauchau steuerte der Transport den Rastplatz an. Zur Freude aller: Erstmals nämlich war damit gestern die Autobahn A4 von Dresden Richtung Frankfurt/Main frei – wenn auch nur für kurze Zeit. Auf dem Parkplatz endete für Sachsens Polizisten dieser Einsatz. Bis 15 Uhr hatten zeitweise 80 Einsatzwagen die 6 Castoren umkreist. Ab hier musste sich die Thüringer Polizei mit dem längsten Castor-Straßentransport aller Zeiten rumplagen. Und natürlich die Autofahrer, die nicht überholen konnten. Tempo 60 Richtung Westen.
Der Transport war am Mittag in Rossendorf bei Dresden gestartet. Pfiffe, gereckte Fäuste – vergeblich hatten sich etwa 50 Castorgegner in letzter Minute in zwei Gruppen geteilt, um mögliche Ausfahrten aus dem Forschungszentrum Rossendorf zu blockieren. Die Polizei räumte kurz zuvor eine blockierte Ausfahrt, schirmte die Demonstranten ab. Schnell kam der Konvoi zur A4. Hier sperrte die Polizei mit mehreren tausend Beamten sämtlich Autobahnbrücken – damit der Transport nicht beworfen werden konnte; schirmten sämtlich Zufahrten ab – aus Angst vor möglichem Protest.
„Wir rechnen damit, dass der Transport erst morgen früh in Ahaus ankommen wird“, sagte Robin-Wood-Aktivistin Bettina Dannheim. Bundesweit hatten 65 Bürgerinitiativen zu Protesten aufgerufen, einige von ihnen auch „aktiven Protest“ angekündigt. Von den Blockaden rund um Rossendorf abgesehen war davon bis zum Redaktionsschluss aber nichts zu spüren. Und selbst bei den Sitzblockaden schien man sich „nur“ einzusitzen: In den nächsten Tagen folgen zwei weitere Straßentransporte. „Wichtig ist die symbolische Präsenz“, erklärte Andreas Schumann, Sprecher der Dresdner BI Castorstop. Die Brennstäbe aus dem stillgelegten DDR-Forschungsreaktor seien zwar nicht mit denen aus AKW zu vergleichen. Trotzdem sei der Transport unsinnig und „viel zu gefährlich“.
Was die Polizei anders einschätzt: Allein in Sachsen sollen 1.500 Beamte den Transport bewacht haben. Gemessen am tatsächlichen Widerstand und selbst an der Zahl der Schaulustigen unverhältnismäßig – wie sogar ein junger Polizist mit schwäbischem Akzent anerkannte: „Wenn das der Bund der Steuerzahler erfährt …“
„Aktiven Protest“ jedenfalls hat auch die BI Ahaus für den Abend angekündigt. „Wir rechnen mit 500 Demonstranten, die natürlich den Transport aufzuhalten gedenken“, erklärte BI-Sprecher Felix Ruwe. „Aktiv“ jedenfalls will sich am Protest auch die zukünftige Ex-Umweltministerin Nordrhein-Westfalens, Bärbel Höhn, beteiligen. Sie kündigte an, sich „an den Aktionen beteiligen“ zu wollen. „Der Transport ist total überflüssig“, so Höhn. Es wäre sinnvoller gewesen, die Brennstäbe in einem Zwischenlager in Sachsen unterzubringen. Was auch Birgit Homburger, umweltpolitische FDP-Sprecherin, zu gewisser Aktivität veranlasste: „Höhns Protest zeigt die Zerrissenheit der Grünen.“