: Kinderquatsch mit der Quatsche
HANDTELEFON Je weniger Schnickschnack ein Handy hat, desto weniger Unfug können Kinder damit anstellen. Sie sollten ein gewisses Mindestalter erreicht haben, bevor man ihnen eins schenkt, raten Experten
■ Die Nutzer: Wenn es um die Nutzung neuer Handyfunktionen geht, sind Kinder Experten. Die meisten Schulkinder haben schon eins, der Umgang mit dem hochtechnisierten Designwundern macht Spaß, birgt aber auch Risiken.
■ Die Hilfe: Das Bundesfamilienministerium hat einen Ratgeber für Eltern herausgegeben, in dem über Risiken, Sicherheitsstandards und Kostenbremsen informiert wird.
VON RICHARD ROTHER
In den Achtzigerjahren hatten Schulkinder eine Armbanduhr, und deshalb wussten sie, wann sie abends zu Hause sein mussten. Heute haben die allermeisten ein Handy und nerven ihre Eltern mit Anrufen, warum sie mal wieder später kommen: Mal verspätete sich der Bus, dann kam zufällig ein Freund des Wegs.
Wozu brauchen Kinder Handys? Eigentlich für den berühmten Notfall, also zur Stärkung der gefühlten Sicherheit von Eltern und Kindern. Aber die Wahrheit ist: weil alle eins haben. Und da niemand sein Kind zum Außenseiter machen will und der Umgang mit Technik zum Leben gehört, müssen sich selbst skeptische Eltern irgendwann mit der Frage befassen: Welches Handy braucht mein Kind?
„Sie haben einen Sohn, dann fällt Rosa ja aus“, sagt der Verkäufer im Telefonladen, der mit dem Wunsch nach einem Handy für einen Drittklässler konfrontiert wird. Dann kramt er in einer Schachtel, bis er ein hellblaues Schiebehandy findet. „Wie wär’s damit?“ Das Gerät wiegt weniger als eine kleine Tomate, besonders stabil scheint das 99-Euro-Teil auch nicht zu sein. Damit sollen sich Rabauken herumbalgen können? „Wir haben auch ein robustes“, meint der Verkäufer und zeigt auf ein Gerät, das in einem wassergefüllten Glaszylinder schwimmt. „Das kann schon mal ins Wasser fallen.“ Leider ist das handfeste Teil nicht ganz billig – und außerdem nur mit einem Zweijahresvertrag zu haben.
Reden und simsen reichen
Der Verkäufer kramt weitere Geräte hervor, preist ihre Kameras und schnellen Internetzugänge an. Die Strahlungswerte der Handys kennt er nicht, dafür aber den Preis bei Benutzung einer von ihm empfohlenen Prepaidkarte: „Nur 9 Cent pro Minute in alle Netze; die Karte können Sie in jedes Gerät stecken.“ Fotografieren, online gehen, Schnickschnack – braucht so ein Drittklässler das überhaupt?
„Handys für Kinder sollten möglichst einfach sein, am besten soll man damit nur telefonieren und simsen können“, sagt Karin Itzen von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Auf keinen Fall sollte es über einen Internetzugang verfügen, dadurch könnten hohe Kosten entstehen, „und dann landet so mancher Jugendlicher bei uns in der Schuldnerberatung“. Überflüssig sind nach Ansicht Itzens auch Foto- und Videofunktionen, die Kinder dazu verleiten, unschöne Bilder oder solche mit gewalttätigem Inhalt zu machen oder zu verbreiten.
Überhaupt empfiehlt Itzen, Kindern so spät wie möglich ein Handy zu schenken. Zwölf sei ein gutes Alter. „Eltern sollten mit ihren Kindern lieber das persönliche Gespräch suchen und klare Absprachen treffen.“ Dann wisse man auch, wo sich der Nachwuchs aufhalte. Auf keinen Fall seien Handys für Vorschulkinder geeignet.
Vertrag oder Variante mit Vorauszahlung? Auch hier ist das Votum von Verbraucherschützern eindeutig. „Aus pädagogischen Gründen ist eine Prepaidkarte zu empfehlen“, sagt Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Gebühren für diese Handys können zwar etwas höher sein, „aber so lernen die Kinder wie beim Taschengeld, dass irgendwann das Budget aufgebraucht ist“. Gar nichts hält Castello von dem Angebot vieler Firmen, Kinder per Mobiltelefon zu orten. „Wenn man Straftäter mit elektronischen Fußfesseln überwacht, mag das noch angehen – aber doch nicht die eigenen Kinder!“
Wichtiger als Überwachung ist ohnehin das Vertrauensverhältnis von Eltern und Kindern. Zumal erfindungsreiche Kinder die teure und nicht immer zuverlässige Ortung – pro Peilung fallen bei manchen Firmen 49 Cent an – leicht aushebeln können. Das Handy wird bei einem Freund oder einer Freundin hinterlegt, im Falle eines Anrufs „leider nicht gehört“ – und schon kann sich das Kind dort rumtreiben, wo es sowieso hinwollte.
Zwölf ist früh genug
Empfehlenswert ist, auf Kinderhandys die sogenannten Mehrwertdienste mit den fünfstelligen Nummern sperren zu lassen. Damit verhindern Eltern, dass ihre Kinder mit einer einfachen Kurznachricht teure Abonnements für Klingeltöne oder Bildchen abschließen. Zwar sind solche Abos durch die Erziehungsberechtigten leicht kündbar, aber man erspart sich Ärger, wenn es sie gar nicht erst gibt.
Nicht vergessen sollte man auch die Belastung der Kinder durch die Handystrahlung. „Es gibt zu wenige Untersuchungen der Auswirkungen von Handystrahlen auf Kinder“, sagt Anne Dehos, Strahlenexpertin beim Bundesamt für Strahlenschutz. Deshalb könne man nicht sagen, ob Handystrahlen für Kinder ungefährlich seien. „Wir sehen da noch Unsicherheiten.“ Ihre Empfehlung: Eltern sollten ihren Kindern möglichst spät ein Handy kaufen. Und: Das Gerät sollte einen niedrigen Strahlenwert (SAR) haben. Geeignet seien Handys mit einem SAR-Wert von weniger als 0,6 Watt pro Kilogramm, wie es sie schon vielfach auf dem Markt gebe.
Wie also sollte – zusammengefasst – ein gutes Kinderhandy beschaffen sein? Es sollte robust, strahlungsarm und günstig sein, eine Prepaidkarte und möglichst wenige Funktionen haben sowie Abzocknummern sperren können. Und es sollte möglichst wenig benutzt werden.