: Es fließt Blut
Zum Welttag der Menstruations-Hygiene stellt das Bremer „Luxus Filmkollektiv“ heute seinen vielfach prämierten Kurzfilm „Zyklus“ online
Von Wilfried Hippen
Natürlich spritzt Blut. Oder zumindest eine zähflüssige rote Flüssigkeit, die einen Plastikvorhang befleckt und etwas später den Kopf der Protagonistin besudelt. Aber im Kurzfilm „Zyklus“ werden zwar drastisch die extremen Beschwerden beschrieben, unter denen einige Frauen während der Menstruation leiden, aber die Filmemacher*innen ersparen uns einen gynäkologischen Blick. Stattdessen arbeiten sie mit stilisierten Bildern und literarischem Text.
Verfasst hat den hat Eva Matz: Ihre Stimme liest ihn während des Films vor, und Matz ist es auch, die zuerst nur schemenhaft hinter dem Plastikvorhang zu sehen ist. Der Film wirkt klinisch und kalt. Doch umso eindrucksvoller ist Matz’autobiografische Schilderung von Menstruationsbeschwerden. Der Text sei sehr schnell aus ihr herausgekommen, sagt sie im Telefoninterview. Er musste nur noch gekürzt werden. Drei Minuten dauert er jetzt.
Der Film entstand im Rahmen eines Kurzfilmwettbewerbs des Filmfestes Bremen mit dem Titel „Super 8 meets Literatur“ im Jahr 2021. Filmteams bekamen eine Super-8-Kamera und eine Filmrolle, auf der sie Bilder zu einem literarischen Text machen sollten. Die Bedingungen waren rigide: Der Film sollte die drei Minuten dauern, die mit einer solchen Filmrolle aufgenommen werden können, und er durfte nicht nachträglich bearbeitet, sondern musste „in der Kamera geschnitten“ werden. Matz und einige ihrer Freude, die in dieser Zeit in Bremen lebten und arbeitslos waren, sahen das Projekt als willkommene Gelegenheit, unter den Beschränkungen der Coronakrise Kunst zu produzieren.
Sie selbst gehörte zur lokalen Poetry Slam-Szene und hatte bis dahin mit Film wenig am Hut, aber zu ihrer Wohngemeinschaft gehörte damals auch Kameramann Jonas Schmieta. Er lieferte die meisten Ideen zur optischen Umsetzung des Themas.
Der Text beschreibt den sehr schmerzhaften Verlauf eine Menstruation, bei der die Leidende schließlich in ein Krankenhaus eingeliefert und mit Opiaten behandelt werden muss. Auf der Bildebene sieht man nur einen kühlen, kargen Raum – gedreht wurde „in einem alten Supermarkt in Gröpelingen“. Hinter einem grauen Duschvorhang tut sich undeutlich etwas, dem sich die Kamera langsam nähert. „Es sollten starke Bilder sein, die aber nicht vom Text ablenken“ – so beschreibt Matz das Grundkonzept. Genau dies ist ihr und ihrem Team auch so gut gelungen, dass „Zyklus“ nicht nur mehrere Preise beim Filmfest Bremen abräumte, sondern danach zu vielen Festivals eingeladen wurde. Dabei sammelte er noch eine ganze Reihe weiterer Auszeichnungen ein, darunter sogar einen Literaturpreis.
„Preise zu gewinnen, tut sehr gut“, sagt Matz dazu, und diese Erfolgserlebnisse waren auch ein Grund, warum sie zusammen mit Kameramann Jonas Schmieta, der Kostüm- und Szenenbildnerin Elena Ortega, der Autorin Julia Schleißner und dem Produzenten Jascha Loos das „Luxus Filmkollektiv“ gegründet hat. Das produziert eine ganze Reihe von weiteren analog gedrehten Filmen über Poesie. Drei von ihnen sind bereits fertig.
Eva Matz, Autorin von „Zyklus“
Für „Zyklus“ ist die Festivalauswertung nach zwei Jahren vorbei. Deshalb kam es zu der Entscheidung, den Film publikumswirksam heute, am Weltmenstruationstag, auf Vimeo und Instagram zu veröffentlichen. Das ist auch deshalb erfreulich, weil Zyklus auf mehreren Ebenen fasziniert. So wurde hier so originell und inspiriert mit den Beschränkungen des Wettbewerbs gearbeitet, dass der Film gerade durch sie eine eigene, künstlerisch überzeugende Handschrift bekommt.
Aber die Kunst kommt hier nicht der Information über das immer noch oft tabuisierte Thema Menstruationsbeschwerden in die Quere. Viele Männer sind nach dem Ansehen nicht mehr ganz so ahnungslos. Einige Frauen kommen nach den Vorführungen zu Eva Matz und sagen: „Ich dachte, es geht nur mir so!“ Mehr Aufklärungsarbeit kann ein Kurzfilm kaum leisten.
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