: Ein Meilenstein für den Schutz der Bienen
Pestizide machen Bienen das Leben schwer, auch in Kolumbien. Dort haben Forscher ein Präparat für die Bestäuber entwickelt und patentieren lassen
Bienen brauchen Orientierung, um den Weg von den Blumen zurück in den Bienenstock zu finden. „Genau die verlieren sie, wenn sie in Kontakt mit hochtoxischen Insektiziden kommen“, sagt Andrés Josafat Riveros. „Es sind vor allem die neurotoxischen Wirkstoffe Fipronil und Imidacloprid, seit Mitte der neunziger Jahre weltweit im Einsatz, die negative Effekte auf die Bienenpopulation weltweit haben.“
Der 44-jährige Biologe beschäftigt sich seit rund zehn Jahren mit den Effekten dieser Insektizide auf das Hirn der Bienen. Der ist verheerend: „Es ist eine Mischung aus Alzheimer und Parkinson, die die Insektizide bei den Bienen auslösen. Motorische Probleme, Defizite bei der Informationsverarbeitung, aber auch bei der Orientierung sind direkte Folgen, die wir festgestellt haben“, so der Experte. Die Bienen finden den Weg zurück in ihren Bienenstock nicht mehr, verhungern und scheiden daher als Bestäuber für Obst, Gemüse und Co aus – mit langfristig fatalen Folgen für die Land- und Forstwirtschaft.
Rund 35 Prozent der weltweit vorkommenden Insekten sind als gefährdet einzustufen, darunter auch Bienen. Dies ergab eine 2023 erschienene FAO-Studie. Verantwortlich dafür ist laut der UN-Organisation für Ernährung vor allem die agroindustrielle Landwirtschaft mit ihrem hohen Pestizideinsatz. In Kolumbien sterben laut Regierungsangaben jedes Jahr die Bestände von rund 3.000 Stöcken. Das hat zunehmend negative Folgen, auch für den Anbau eines der wichtigsten Exportprodukte: Kaffeebohnen.
Die Kaffeepflanzen sind als Selbstbestäuber zwar nicht per se auf die Bienen angewiesen. Aber wissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass Kaffeepflanzen höhere Erträge aufweisen, wenn Bienen bei der Bestäubung mithelfen. Hinzu kommt, dass Pollen und Honig zu den mehr und mehr gefragten Produkten aus Kolumbien zählen. Deren Produktion wird, so internationale Studien, durch Fipronil genauso wie Imidacloprid gefährdet. Fipronil ist unter anderem unter den Handelsnamen Regent, Imidacloprid, Gaucho und Admire auf dem Markt präsent. Der Einsatz beider Insektizide, von BASF beziehungsweise Bayer CropScience vertrieben, sind in Europa zumindest teilweise verboten oder reguliert – nachdem mehrere Studien die schädigende Wirkung für Bienen bestätigten.
In Kolumbien ist Fipronil nach einer Übergangsphase von einem Jahr seit Februar 2024 verboten. „Allerdings haben wir es in den letzten Monaten noch problemlos für unsere Studien kaufen können“, so Riveros. Dessen Team arbeitet mit Imkern aus Facatativá, in der Umgebung von Bogotá, zusammen und hat nach rund fünfjähriger Forschung ein Präparat entwickelt, das zum „Meilenstein für den Schutz der Bienen werden wird“, prophezeit der Neurobiologe.
„Unser Präparat reduziert die Orientierungslosigkeit der Bienen und anderer Bestäuber nach dem Kontakt mit Insektiziden“, erläutert der Wissenschaftler. Er hat die Forschungsergebnisse 2022 erstmals im „Journal of Experimental Biology“ veröffentlicht. Sein Team und die beiden beteiligten Universitäten – Atlanta in den USA sowie die kolumbianischen Javeriana-Universität – haben das Präparat Ende Januar beim britischen Büro für Patente registriert.
Das ist eine gute Nachricht für die auf Bestäubung durch Bienen und andere Bestäuber angewiesene Land- wie Forstwirtschaft. Die von den Wissenschaftlern entwickelten Formeln schützen das Gehirn der Bestäuber vor den negativen Effekten der Insektizide. „Dabei haben wir nicht nur Erfolge bei den beiden genannten Insektiziden vorzuweisen, sondern auch gegen etliche auf dem Markt gängige Kombinationen“, erklärt Riveros.
Er arbeitet mit seinem Team derzeit an der Verbesserung der Formel, die auf der positiven antioxidativen Wirkung der Flavonoide basiert. Zu denen gehört das Gros der Blütenfarbstoffe. Etliche davon sind in dem flüssigen Präparat enthalten, das sich problemlos mit Zuckerwasser oder auch mit Pollen mischen lässt und so den Bienen verabreicht wird. Das Präparat, für das es noch keinen Handelsnamen gibt, ist ein klassisches Nahrungsergänzungsmittel, das laut Riveros billig in der Herstellung ist. Derzeit suchen drei Universitäten, die gemeinsam das Patent innehaben, ein Unternehmen, das sie mit der Lizenzierung der Formel betrauen wollen. Details dazu sind noch nicht bekannt.
In dem aus Bambus gebauten Bienenhaus der Universidad del Rosario, das auf einem Dach eines Hochschulgebäudes von Blumen umgeben installiert ist, wird weitergeforscht, um weitere Erkenntnisse über die positiven Effekte der Flavonoide zu gewinnen. Der Erfolg spricht sich herum. Dass Imker und Bauern anrufen, um sich für den Einsatz des Präparats in ihrer Region zu bewerben.
Der Neurobiologe betrachtet dies als eine so positive wie wichtige Entwicklung: „Wir haben zu wenig Erkenntnisse, zu wenig Forschung im Land und wissen viel zu wenig darüber, welche Insektizide und Pestizide ausgebracht werden. Das muss sich ändern“, appelliert er an Wissenschaft und Politik. Riveros ist in einen Landkreis nördlich von Bogotá aufgewachsen; sein Vater, ein Naturliebhaber, hat ihn sensibilisiert, sodass er an der Universität Nacional Biologie studierte und sich bei seinen späteren Forschungsaufenthalten in Panama und im US-amerikanischen Atlanta auf die Bienen spezialisierte. Nach seiner Rückkehr nach Kolumbien leitete er zwei Forschungsprojekte, deren Ergebnisse nun helfen dürften, die Existenz der Bienen und anderer Bestäuber zu sichern. Knut Henkel
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