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Archiv-Artikel

Die Welt des Jason Forrest

Als Popterrorist hat Jason Forrest eine Mission zu erfüllen: nie vorhersehbar sein. Sinnloses tun. Geschmacksästheten in die Suppe spucken. Und für das alles braucht der Musiker und Betreiber des Labels Cock Rock Disco fast nur drei Finger

Cock Rock Disco soll einfach für das Gute zuständig sein, egal ob Pop, Disco oder Punk

VON ANDREAS HARTMANN

Wenn einem Leute aus London oder New York nicht andauernd erzählen würden, wie toll es in Berlin sei – kein Rauchverbot in Kneipen, bezahlbare Mieten –, würde man kaum auf die Idee kommen, in einer der aufregendsten Städte des Universums zu leben. Denn in wirklichen Metropolen hält man Sandstrände vor der Kneipe doch wahrscheinlich nicht unbedingt für endlos cool.

Als Berliner hat man den Berlin-Hype einfach satt, dabei würde es ohne ihn endgültig trostlos sein in dieser Stadt. Denn dank dem Ruf, die perfekte Künstlerstadt samt schwulem Bürgermeister zu sein, ist Berlin tatsächlich zu einer Enklave von Künstlern aus aller Welt geworden, die hier wirklich noch etwas voranbringen.

Die besten DJs und Bands kommen inzwischen aus Chile oder Australien, die besten Clubs, Labels und Kneipen werden von Engländern oder Amerikanern betrieben. Und auch die aufregendsten Berliner Platten der letzten Monate kommen von so genannten Wahlberlinern, von Jamie Lidell, Kevin Blechdom und Jay Haze.

Das sieht Jason Forrest, der seit ungefähr eineinhalb Jahren hier lebt und von New York weggezogen ist, genauso. T.Raumschmiere, Pole und all die anderen, die weltweit von Berlins Vorreiterstellung in Sachen elektronischer Musik kündeten, zählen für ihn heute zur alten Garde. Einem anlässlich des „Marke B“-Festivals erschienen Sampler, der sich ausschließlich um Berliner Labels dreht, attestiert Forrest gepflegte Langeweile, die nur an einer einzigen Stelle durchbrochen wird. Von einer Band mit dem genial-beknackten Namen Duran Duran Duran. Diese macht Breakcore, Sample-Irrsinn und hat mit gepflegter elektronischer Musik so viel zu tun wie Johnny Rotten mit den Kastelruther Spatzen.

Gut, Jason Forrest will sich natürlich auch nicht in die eigene Suppe spucken. Die letzte Platte von Duran Duran Duran ist auf seinem eigenen, erst vor kurzem gestarteten Label Cock Rock Disco erschienen. Überall gab es euphorische Rezensionen, schon ist die Rede davon, dass Breakcore mit seiner erfrischenden Punk- und DIY-Attitüde der nächste Trend werden könnte. Minimal-Techno ist einfach durch, und Breakcore steht bereit, um auf sein Grab zu spucken.

Dabei möchte Jason Forrest, der mit seiner Glatze und dem Bäuchlein ein wenig aussieht wie Nick Hornby und dank seiner cool erscheinenden Uncoolness auch wie dieser wirkt, sein Label nicht einmal als reines Breakcore-Label verstanden wissen. Das wäre ihm, der mit so ziemlich jeder Form von Musik etwas anzufangen weiß, zu eindimensional. Cock Rock Disco soll einfach für das Gute zuständig sein, egal ob Pop, Disco oder Deathmetal. Man soll auf dem Label nichts Bestimmtes erwarten dürfen, sondern immer wieder vom Ungewohnten schockiert werden.

In dem Moment, in dem der Künstler Jason Forrest etwas Vorhersehbares veröffentlichen würde, egal ob als Musiker oder Labelbetreiber, wäre der Künstler Jason Forrest am Ende. Nicht viel länger als ein Jahr ist er als Musiker einigermaßen im Geschäft – davor versuchte er sich eher erfolglos als bildender Künstler und Grafikdesigner – und schon hat er eine Mission als Popterrorist zu erfüllen. Namen wie Duran Duran Duran oder Cock Rock Disco deuten es an. Zerfließendes Sperma, das auf seiner Breakcore-Compilation „Wasted“ einen Schriftzug formt, eine ausgeprägte Vorliebe für den von Geschmacksästheten im Allgemeinen verabscheuten Progrock der Siebzigerjahre und sinnloses Luftgitarrespielen bei Laptop-Auftritten, das ist die Welt des Jason Forrest.

Früher nannte er sich selbst auch noch Donna Summer, also nicht etwa Sonna Dummer oder so, sondern ganz genau wie die legendäre Discoqueen. Seit er jedoch ein wenig Erfolg mit seinem unter diesem Pseudonym erschienenen ersten Longplayer „The Unrelenting Songs of the 1979 Post Disco Crash“ hatte, verzichtet er lieber auf seinen Zweitnamen. Die Platte war zwar wirr und irr, wurde aber überall gefeiert und John Peel erklärte sich zum Fan. Es kann also durchaus sein, dass die echte Donna Summer inzwischen etwas von ihrem Vetter in Berlin mitbekommen hat. Dass sie Jason Forrest irgendwann als echte Konkurrenz ansehen und wegen Namenklaus verklagen könnte, darauf möchte er es lieber nicht ankommen lassen.

Bislang habe er noch nie Copyright-Probleme gehabt, sagt er, und tut dabei so, als würde er auf Holz klopfen. Und das, obwohl er kaum etwas anderes in seiner Musik macht, als Samples ineinander zu schieben. Ein Song seines nächsten, im September erscheinenden Albums heißt beispielsweise „My 36 Favorite Punk Songs“. Forrest hat hierfür einfach kurze Ausschnitte von drei Dutzend seiner liebsten Punksongs aneinander geklebt und fertig.

Wie hier ist es immer die simple, aber effektvolle Idee, durch die Jason Forrests Arbeit besticht. Er versteht sich auf Culture Jamming und weiß, wie leicht Subversion manchmal zu haben ist. Man muss nur einen Buchstaben ändern, und aus Cock wird Rock. Oder man ändert gar nichts, nennt sich wie jemand schon Bekanntes, vielleicht sogar wie eine Frau, und der Effekt ist noch viel unerhörter. So einfach kann Kommunikationsguerilla funktionieren.

Für seine „36 Favorite Punk Songs“ muss er nicht mal mehr die berühmten drei Akkorde beherrschen. Für die Programmierung seines Samplers braucht er höchstens noch drei Finger.

Jason Forrest: „Lady Fantasy EP“ (Sonig/Rough Trade)