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Ausgehen und rumstehen von Stephanie GrimmVon einem Musik-Hotspot zum nächsten

Schön, wenn schon am Wochenanfang das Wochenende beginnt. So fühlte sich zumindest der Auftakt von XJazz an, bei dem die tolle Nala Sinephro, Belgierin mit karibischen Wurzeln, mittlerweile aber in London zu Hause, den Anfang machte. Ihr Ambient-Jazz mit Harfe, Saxofoneinsprengseln und Synthie-Geblubber war über die letzten Jahre ein schönes Gegengift, wenn ich mich aufregen musste. Also ziemlich oft.

An dem Abend zeigt sie dann, dass sie auch anders kann – funky, weniger meditativ. Dabei produziert sie mit Synthesizern und einer riesigen Harfe erstaunliche Grooves – wo doch oft gerade diesem Instrument etwas New-Age-Haftes anhaftet. Das gibt es dann zwei Tage später bei Shabaka. Bei dem stehen in der Emmauskirche zudem zwei Harfen auf der Bühne. Offenbar sind bei den sonst so Dancefloor-affinen Londoner Jaz­ze­r:in­nen derzeit Alice-Coltrane-Gedächtnistage.

Erst beim Konzert fällt mir wieder ein, dass ich vor einer Weile gelesen hatte, dieser umtriebige Musiker habe eine Art von Saxofon-Burn-out; das Instrument, das ihm Ruhm gebracht hat, wolle er erst mal beiseitelegen. Dafür hat er Flöten aus aller Welt dabei, ein gutes Dutzend, was die Eso-Anmutung noch steigert. Wäre es nicht so voll, würden die Leute auf dem Boden liegen. Gegen Ende kommt aber doch noch Schwung in den Abend.

Doch die tollsten Klänge, denke ich, als ich nachts heimradele, produziert zu dieser Jahreszeit sowieso die Nachtigall mit ihrem Mix aus melodiösen Pirouetten und stumpfen Beats. Als ich ein paar Tage später H. davon erzähle – wir sitzen wieder in der Emmauskirche, der Naturwein hier ist wirklich lecker –, sagt er: „Das liegt am Alter. Früher hättest du das gar nicht wahrgenommen.“ Ich halte dagegen, dass es auch an der wachsenden Nachtigall-Population liegen könnte. Mancherorts kann man sich ohne Unterbrechung von einem Musik-Spot zum nächsten hangeln. Aber vermutlich hat H. recht. Erstaunlich. Wie so manches dieser Tage. Früher hätte ich mir auch schwer vorstellen können, dass ich eines Tages Studierenden-Proteste völlig daneben finden würde.

Am Samstag muss ich nach Moabit und fahre einen Umweg durch den Tiergarten, an der Spree entlang. Dank des Schlenkers fällt mir auf, dass „Echos der Bruderländer“ im HKW nur noch gut eine Woche läuft. Während ich andernorts einigermaßen auf Zack bin, beim Einbauen derartiger Programmpunkte, verpenne ich das in Berlin oft. Weil ja irgendwie immer noch Zeit ist. Bis die Ausstellung dann ganz vorbei ist. Aber die hier wollte ich wirklich sehen. Immerhin habe ich bis zur Schließzeit noch 45 Minuten. Also schnell rein. Um festzustellen, dass man hier doch Zeit braucht, sich einzulesen. Einige Exponate, die sich der Migrationsgeschichte der DDR widmen, erschließen sich, weil ich vom Kontext schon mal gehört hatte: etwa über immer noch allwöchentlich in Mosambik stattfindende Proteste. Ein beträchtlicher Teil des Lohns der einstigen Gastarbeiter aus Ostafrika wurde damals einbehalten und mit den Staatsschulden verrechnet, das ihr Land bei der DDR hatte. Eine schräge Interpretation von Kollektiv. Auch die Arbeit von Minh Duc Pham klingelt etwas wach. Ihn hatte ich unlängst in einem Kulturmagazin gesehen, wie er zarte Blüten aus Ton faltete. Die sind nun um einen kleinen Keramikbrunnen arrangiert. Es riecht zudem ziemlich gut hier. Doch auch dieses Exponat verweist auf ein Trauma. Ich muss die Ohren spitzen, um zu hören, wie der 1991 in Sachsen geborene Künstler für die Installation mit seinem Bruder redet, der nie auf die Welt kam, weil seine Mutter vor der Wahl stand: abtreiben oder zurück nach Vietnam. Nun trägt Minh Duc Pham den Namen, den eigentlich der Bruder bekommen sollte.

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