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Wenn sich niemand mehr für ein Leben interessiert

Nur 10 Euro soll der Küchentisch kosten – ich setze mich sofort ins Auto und fahre nach Oberneuland, Bremens Reichenstadtteil. Hier dominieren Einfamilienhäuser in großen Gärten. In vielen Häusern hätten auch zwei bis vier Familien Platz.

Der Tisch steht im vierten Stock einer gepflegten Wohnanlage und gehörte einem Mann, der aus seiner Dreizimmerwohnung ins Pflegeheim ziehen musste. Seinen Haushalt löst ein Fremder auf. „Kannst auch in die Schränke gucken, ob du was haben willst, brauchst nix zahlen, Hauptsache, das Zeug kommt weg“, sagt der. Andere hätten das auch schon gemacht. Ich ziehe eine Schublade im Schlafzimmer auf, sehe zusammengerollte dunkle Socken, schließe sie schnell wieder.

Bremen-Oberneuland

13.800 Ein­wohner*innen.

Wahrzeichen des Stadtteils ist eine Holländerwindmühle von 1848, und erinnern mag man sich an den Künstler Heinrich Vogeler (1872–1942), der in seinem bewegten Leben auch in Oberneuland wohnte und wirkte.

Ich habe ein beklemmendes Gefühl, mag nicht in den Sachen eines Menschen wühlen, der mir dafür nicht die Erlaubnis gegeben hat. Und tue es trotzdem in der Hoffnung, einen Schatz zu finden. So öffne ich in der Küche ein paar Schranktüren, entscheide mich für Besteck und einen Obstkorb. Beides brauche ich nicht. Beim Rausgehen gucke ich in einen Schrank im Flur, große schwarze Herrenschuhe stapeln sich darin. Was von einem Leben so übrig bleibt, für das sich niemand mehr interessiert. Eiken Bruhn

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