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Viel zu groß für die Zweite Liga

Die Angst der Fußballbundesligisten vor dem Abstieg ist vor allem eine vor der wirtschaftlichen Verzwergung. Die Kluft zwischen den Ligen ist extrem

Von Frank Hellmann

Der FSV Mainz 05 galt schon immer als Bundesligist, der sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat. In der neuen Saison werden die Nullfünfer erstmals digitale Dauerkarten anbieten, um einen Beitrag zur Reduzierung des Ressourcenaufwands zu leisten. Wer dennoch sein Ticket in der Hand halten will, muss zehn Euro Aufschlag bezahlen. Ohnehin werden die Karten um durchschnittlich 5 Prozent teurer, „aufgrund des anhaltenden Kostendrucks in vielen Betätigungsfeldern“, wie der Verein mitteilte. Für einen Klub, dessen Arena normalerweise selten voll besetzt ist, eine gewagte Entscheidung.

Die restlichen Heimspiele der Rheinhessen dieser Saison sind allerdings ausverkauft. Es herrscht eine Euphorie, die es an diesem Standort lange nicht gegeben hat. Vergangenen Sonntag sind die voreilig abgeschriebenen Mainzer erstmals über den Strich gesprungen und inzwischen ist die Zuversicht nicht nur beim Motivationskünstler Bo Henriksen riesig, den direkten Klassenerhalt zu schaffen. Der dänische Munter-, Mut- und Bessermacher hat es geschafft, das spielerische Potenzial des Teams zu wecken. Was die individuelle Qualität angeht, sind die Rheinhessen ihren Konkurrenten weit voraus.

Der Abstiegskampf zehrt vor allem an den Nerven derjenigen Verantwortlichen, die seit vielen Jahren erstligareife Strukturen geschaffen haben, hinter denen ein eigentlich nur mit Bundesliga-Erträgen zu deckender Kostenapparat steht. Dieser kann nicht von heute auf morgen zurückgefahren werden: Der VfB Stuttgart (2020) und Werder Bremen (2021) haben ihre letzten Abstiege umgehend repariert, wer aber wie der Hamburger SV, der FC Schalke 04 oder Hertha BSC nicht sofort zurückkommt, muss Substanz in allen Bereichen abbauen. Die Verzwergung früherer Branchengrößen ist wegen der unterschiedlichen Wirtschaftskraft der beiden Bundesligen unvermeidlich.

Der Wirtschaftsreport 2024 der Deutschen Fußball-Liga (DFL), unauffällig erst im vergangenen Monat veröffentlicht, wies zwar für die Saison 2022/23 einen Rekordumsatz von 5,24 Milliarden Euro für die Bundesliga und 2. Bundesliga aus, doch entfielen 4,45 Milliarden Euro aufs Oberhaus. Der durchschnittliche Umsatz eines Erstligisten liegt inzwischen bei fast 250 Millionen Euro, bei einem Zweitligisten sind es keine 44 Millionen Euro.

Zwar erwirtschafteten im Unterhaus zuletzt elf Klub ein positives Ergebnis nach Steuern, doch für Bundesliga-Absteiger ist das im Grunde ein Ding der Unmöglichkeit. Gerade der Personalkostenblock kann oft nur über Notverkäufe angepasst werden. Die Bundesliga wies einen Personalaufwand von im Schnitt fast 90 Millionen Euro aus, die 2. Bundesliga von knapp 14 Millionen Euro.

Der Umsatz eines Erstligisten liegt im Schnitt bei fast 250 Millionen Euro, ein Zweitligist kommt auf knapp 44 Millionen

Weshalb auch Mainzer und Kölner als etablierte Erstligisten ein Abstieg viel härter als den SV Darmstadt 98 oder VfL Bochum treffen würde. „Die 2. Liga würde mit einem erheblichen Umsatzeinbruch von um die 40 Millionen Euro einhergehen“, sagte Kölns Geschäftsführer Christian Keller im Sport1-„Doppelpass“. Der Klub werde zwar „auch in der 2. Liga in der Lage sein, sich aus eigener Kraft zu tragen“, aber das wird ein Kraftakt. Zumal die Kölner im Sommer noch eine Transfersperre durch die Uefa wegen Verfehlungen in der Vergangenheit belastet. Profis, deren Verträge nicht für die Zweite Liga gültig sind und die von anderen Erstligisten abgeworben werden, kann der Verein nicht adäquat ersetzen.

Die Säulen beim Fernsehgeld – „Gleichverteilung“ und „Leistung“ genannt – schrumpfen erheblich. Im Kölner Fall um rund 29 Millionen Euro. Dazu dampfen auch die Sponsoren ihre Zahlungen ein – so steht es in den allermeisten Verträgen. Immerhin würde beim FC die Stadionpacht geringer ausfallen. In Bremen löste der jüngste Heimsieg gegen Stuttgart so große Erleichterung aus, weil damit der Abstiegskampf wohl überstanden ist, der vor allem Vorstandschef Klaus Filbry den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Das ehemalige DFL-Vorstandsmitglied verriet auf der diesjährigen Mitgliederversammlung, dass Werder durch die Coronapandemie und den Abstieg 2021 „über 80 Millionen Euro verloren“ habe. An der Weser wurde nur mittels eines Kredits und einer Anleihe die Pleite abgewendet.

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