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Dänische Dominanz

Bei der Badminton-EM in Saarbrücken ist Dänemark wieder einmal die bestimmende Nation, doch der Abstand zu den anderen wird kleiner

Von Alexander Teske

Stell dir vor, es ist EM und kaum einer geht hin. Und das, obwohl es „ganz großes Tennis“ zu bestaunen gibt. Passiert ist das den Veranstaltern der Badminton-EM, die am Sonntag in Saarbrücken zu Ende ging. Die 1.800 Plätze fassende Saarlandhalle blieb oft halb leer, war nur einmal ausverkauft. Das mag am verletzungsbedingten Aus der besten deutschen Spieler liegen, aber auch am Status von Badminton in Deutschland.

In Dänemark wäre das nicht passiert. In unserem nördlichen Nachbarland ist Badminton so populär wie Fußball und Handball. Jedes Kind lernt es in der Schule. Dementsprechend sind die Erfolge: In der Weltrangliste der Herren rangieren Dänen aktuell auf den Plätzen 1, 4, 28, 35 und 53 – der beste Deutsche, Kai Schäfer, folgt auf Platz 81. Bei den Frauen sind drei Däninnen unter den Top 30. Ähnlich sieht es im Herrendoppel und im Mixed aus. Der Sechs-Millionen-Einwohner-Zwerg kann als einziges europäisches Land in der Weltspitze mithalten – umrahmt von Athleten aus China, Japan, Indonesien, Indien, Malaysia und Südkorea.

Auch bei der EM dominierten die Dänen. Allein 13 der 40 Teilnehmer im Viertelfinale hatten einen kleinen Dannebrog auf dem Trikot, die Flagge mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund. Im Halbfinale kam die Hälfte aus Dänemark. Und so lauteten die Paarungen denn auch Line Højmark Kjærsfeldt gegen Julie Dawall Jakobsen oder Andreas Sondergaard und Jesper Toft und Rasmus Kjær gegen Kim Astrup und Anders Skarup Rasmussen. Letzteres war das dänische Duell im Finale des Herrendoppels.

Der dänische Superstar heißt ­Viktor Axelsen, ein Zweimeterriese mit Björn-Borg-Gedächtnisstirnband. Dank seinem kraftvollen, aggressiven Stil sowie seiner enormen Reichweite gewann er 2020 Olympia und 2022 als erster Europäer zum zweiten Mal die Weltmeisterschaft. In Saarbrücken machte der 30-Jährige mit Kai Schäfer kurzen Prozess und kegelte seinen Landsmann Rasmus Gemke aus dem Turnier. Der fünfte EM-Titel schien Routine – ehe er überraschend im Halbfinale am Franzosen Toma Junior Popov in drei umkämpften Sätzen scheiterte. Popov trifft im Finale auf einen anderen Dänen – Anders Antonsen. Auch im Mixed kam es zu einem französisch-dänischen Finale: Thom Gicquel und Delphine Delrue sicherten sich Gold gegen Mathias Christiansen und Alexandra Bøje.

Eins-a-Infrastruktur

Doch wie begründet sich die dänische Übermacht? Zum einen ist die nationale Badmintonliga stark und zieht Besucher an. Die Medien berichten ausführlich über die Turniere, auch in den Hauptnachrichten; ein TV-Sender überträgt viele Spiele live. Das wiederum macht es leichter, Sponsoren zu gewinnen. Und durch die vielen Erfolge gibt es genügend ­Vorbilder. Zum anderen gibt es eine Eins-a-­Infrastruktur mit 700 Klubs. Jeder Ort hat eine bestens ausgestattete Halle. Talente werden finanziell gefördert und in Stützpunkten ausgebildet. Dort gibt es sportwissenschaftlich geschulte Trainer, oft frühere Topspieler. Das ausführliche Feedback zwischen den Spielern ist selbstverständlich.

Der deutsche Trainer Tobias Wadenka fasst seine Beobachtungen am Stützpunkt in Brøndby so zusammen: „Ziel ist ganz klar die Weltspitze, und je stärker die Konkurrenz in der eigenen Trainingsgruppe, desto besser ist die Mentalität der Spieler.“ Wadenka besuchte aber auch die Talenteschmiede in Solrød: „Neben den Strukturen ist es aber auch die langfristige Denkweise in der Ausbildung, die Dänemark vom Rest abhebt. Ergebnisse interessieren erst in den höheren Altersklassen und sind in der Jugend nicht das primäre Trainingsziel.“

Und die Deutschen? Die 17 Starter waren bei der EM zu oft chancenlos. Für die letzten beiden Doppel war im Viertelfinale Endstation. Martin Kranitz, der Sportdirektor des Deutschen Badminton-Verbands (DBV), ist trotzdem zufrieden: „Wir haben ein paar wirklich gute, vielversprechende Ergebnisse gesehen – gerade im Herrendoppel und im Mixed. Da erkennt man eine Perspektive.“ Als Letzte scheiterten Linda Efler und Isabel Lohau. „Wir haben alles rausgeholt, was wir konnten. Schade, dass wir es nicht geschafft haben“, so Efler.

Dennoch ist Badminton auch in Deutschland im Aufwind. In keinem europäischen Land gibt es so viele aktive Spieler. Der DBV meldet 169.000 Mitglieder. Nur in Ergebnissen schlägt sich das selten nieder. Es mangelt an professionellen Strukturen. Vielleicht lohnt noch einmal ein Ausflug über die Grenze in die Heimat von Lego, Hygge und der Olsenbande.

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