piwik no script img

berliner szenenJeder Deutsche ein Polizist

Wenn ich eins an Deutschland nicht ausstehen kann, dann sind es selbst ernannte Verkehrspolizisten, meistens Männer über fünfzig. Wie oft wurde ich in den letzten Jahren von solchen Typen auf den Straßen Berlins angeblafft, weil ich irgendeine Verkehrsregel nicht ordnungsgemäß befolgte. Entweder lief ich bei Rot über eine menschen- und autoleere Straße, als mich so jemand anfuhr – „Ist rot!“ – oder ich fuhr mit dem Fahrrad ganz kurz auf dem Gehweg – „Das ist der Gehweg, nicht der Fahrradweg!“ – als ob ich das nicht selbst wüsste.

Wenn ich eins an Deutschland nicht ausstehen kann, dann ist es wirklich das. In keinem anderen Land auf der Welt habe ich solche pedantischen Ausfälle erlebt. Klar, anderswo wird gehupt, was das Zeug hält, aber diese Leute, die einen wildfremden Menschen so anfahren, weil sie nicht die Straßenverkehrsordnung beherzigen, machen mich rasend. Es ist ja auch nicht so, dass ich damit mich oder jemand anderes in Gefahr gebracht hätte, aber das spielt bei diesen selbst ernannten Verkehrspolizisten sowieso keine Rolle.

All das dachte ich mir, nachdem ich gestern Abend genau in eine solche Szene hineinfuhr: Ich war gerade mit dem Fahrrad unterwegs, genauer gesagt mit meinem alten Rad aus den Achtzigern, bei dem das Licht über all die Jahre etwas schwach geworden ist und auch erst funktioniert, wenn man wirklich fährt.

Ich fuhr langsam in eine Kurve und sah aus der Ferne ein Auto auf mich zukommen, das mehrmals das Fernlicht einsetzte. Ich war davon so geblendet, dass ich am Straßenrand stehenblieb und wartete, bis das Auto an mir vorbeigefahren war. Warum der Fahrer das Fernlicht mehrmals anmachte, wurde mir erst klar, als der Fahrer auf meiner Höhe war und aus dem Fenster schrie: „Mach das Licht an!“

Eva Müller-Foell

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen