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Archiv-Artikel

Frontalangriff auf die Arbeitnehmerrechte

Australiens konservative Regierung will die betrieblichen Arbeitsbeziehungen fundamental verändern

CANBERRA taz ■ In Australien stehen die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und -gebern vor der größten Umwälzung seit Jahrzehnten. Geht es nach der Regierung, verlieren ab 2006 5 Millionen Arbeitnehmer den gesetzlichen Kündigungsschutz. Angestellte in Firmen mit bis zu 100 Beschäftigten können dann ohne Angabe von Gründen entlassen werden, sofern nicht gegen Antidiskriminierungsgesetze verstoßen wird. Auch die jahrzehntealte Ära weitreichender kollektiver Tarifverhandlungen durch die Gewerkschaften wird beendet. Die bisherige Schlichtungsbehörde bei Tarifkonflikten verliert den Großteil ihrer Macht.

Mit solch fundamentalen Reformen, die Premierminister John Howard kürzlich ankündigte, setzt die konservative Regierung ihrem wirtschaftlichen Reformprogramm die Krone auf. Seit der Machtübernahme vor neun Jahren verfolgt Howard eine der strikten Liberalisierung verpflichtete Wirtschaftspolitik. Dabei führte er die in den 80er-Jahren von der Labor-Partei begonnene wirtschaftliche Öffnung konsequent weiter. Nur so schaffte es Australien nach Meinung der Regierung, sich der Globalisierung zu stellen und neue Absatzmärkte zu finden. Statt wie früher als von Protektionismus und niedriger Produktivität gehemmt gilt die australische Wirtschaft heute als eine der offensten.

Dabei war die Neugestaltung der innerbetrieblichen Arbeitsbeziehungen für Howard bisher ein unerreichbares Ziel. Die den Gewerkschaften verbundene oppositionelle Labor-Partei wehrte sich gegen jede Demontage der Macht der Arbeitnehmerorganisationen. So wäre das jetzt vorgestellte Reformpaket bisher nicht durch den Senat gekommen. Ab dem 1. Juli aber besteht diese Hürde nicht mehr. Denn bei den Wahlen im Oktober bekam die konservative Regierung auch im Oberhaus die Mehrheit – mit Hilfe eines Abgeordneten von „Family First“. Diese fundamental-christliche Partei schaffte es auf Anhieb ins Parlament, und es ist anzunehmen, dass ihr Senator den Reformen zustimmt.

Kritikern zufolge werden die Reformen drastische Konsequenzen für die Einkommenssicherheit von Millionen Familien haben. Der Gewerkschaftssekretär Greg Combet spricht von „einem Tritt in die Magengrube von Arbeitern“. Zwei Drittel der 9 Millionen Beschäftigten Australiens arbeiten in Betrieben mit unter 100 Mitarbeitern. Dagegen begrüßten Arbeitgeber die Maßnahmen als Weg zur Beschäftigung von mehr Mitarbeitern. Laut dem Ökonomen Chris Richardson würden wegen der bisherigen Gesetze Unternehmen Angestellte „nicht nur weniger schnell feuern, sondern auch weniger anheuern“. Die Labor-Partei opponiert zwar, angesichts ihrer schwindenden Macht ist ihr Widerstand aber wenig überzeugend.

Verschiedene Gewerkschafter beraten zurzeit über Maßnahmen, um gegen die Vorlage zu protestieren. Als sicher gelten Arbeitsniederlegungen. Selbst ein Generalstreik wird nicht ausgeschlossen. Premier Howard verkündete, die Regierung werde sich durch solche Drohungen nicht von ihrem Vorhaben abhalten lassen. URS WÄLTERLIN