: Leidenschaft an Aluminium
KLANGWELTEN Mit einem Rekord-Etat feiert das Musikfest 20-jähriges Jubiläum. Gleich zu Beginn lief die mit Abstand kostenträchtigste Produktion: Mozarts „Idomeneo“ mit den „Musiciens du Louvre“
Für Bremen setzt das neue Maßstäbe: Mozarts erste „ernste“ Oper, „Idomeneo“, gespielt von einem Ensemble wie den „Musiciens du Louvre“ unter Marc Minkowski und durchweg mit Spitzen-SolistInnen wie Colin Balzer und Sophie Karthäuser besetzt – das liegt deutlich über dem vom Goetheplatz Gewohntem und toppt auch das auf dem Musikfest bisher da Gewesene. Wobei man sich über die Qualität des Bühnenbildes, einer multiplen vollmobilen mehrstöckigen Aluminium-Landschaft, durchaus streiten kann.
„Idomeneo“ ist die aufwändigste Produktion, die sich das Musikfest in seiner 20-jährigen Geschichte bislang leistete. Der Kostenrahmen wird nicht genannt, aber bei Betrachtung der Gesamtentwicklung des Festivals wird der Mehraufwand deutlich: Bei einer nur minimal erhöhten Veranstaltungszahl ist der Etat von 2,9 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf gegenwärtig 3,5 Millionen gestiegen. Laut Festival-Sprecher Carsten Preisler ist das auf ein weiter gesteigertes Engagement der Sponsoren zurückzuführen, das sich möglicherweise auch über das Jubiläumsjahr hinaus fortsetzt. Konkrete Vereinbarungen würden allerdings erst jeweils zu Jahresbeginn getroffen. Die öffentliche Hand in Gestalt des Wirtschaftsressorts trägt ein Fünftel der Festivalkosten, in früheren Jahren lag der öffentliche Finanzanteil – zu dem auch das Kulturessort beitrug – bei einem Drittel. Die Zahl der angebotenen Tickets ist mit etwa 24.000 ungefähr gleich geblieben, nur werden sie zunehmend auch außerhalb Bremens verkauft: Mit mittlerweile 11 Veranstaltungsorten in der Nordwestregion inklusive Spiekeroog ist das Bremer Musikfest ein veritables „Umzu“-Ereignis.
Schon aus Proporz-Gründen muss daher das zweite große Highlight des Festivals in Oldenburg steigen: die Haydn-Rarität „L’Infedeltá delusa“, ebenfalls szenisch aufgeführt – was die Quote voll inszenierten Musiktheaters im Rahmen des Musikfestes glatt verdoppelt.
Schon beim Start am Samstag mit 12 verschiedenen Programmen an sieben Orten erreichte das Musikfest gut zehn Prozent der angepeilten Zuschauer. Neben einem wunderbaren Liebfrauenkirch-Konzert des Wiener Renaissance-Ensembles „Cinquecento“ und dem ebenfalls ortsadäquaten Auftritt des „Sexteto Canyengue“ im Gerichts-Innenhof – der Tango entwickelte sich im semi-kriminellen Milieu – versagte lediglich der Dom. Dort ein reines Instrumental-Kollegium wie „Le Concert Spirituel“ auftreten zu lassen gehört angesichts der sehr wabernden Domakustik zu den schlechten Ideen der Festival-Intendanz. Bislang ist es die einzige.
Henning Bleyl