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Archiv-Artikel

„Ich esse keine Kinder“

Das Netzwerk Nandu kämpft mit konsumsatirischen Aktionen für Tierrechte

„Der Milchschaum hält damit nicht“, sagt die Bedienung vorwurfsvoll und guckt kritisch in die Kaffeetasse. Erasmus hatte ihr mit seiner Bestellung eines Milchkaffees auch eine Packung Hafermilch übergeben, damit der Kaffee vegan wird. „Schaum geht mit Sojamilch besser“, kontert er freundlich und ärgert sich später doch – über das, was er gestern schon wieder in einem Radiotalk gehört hat: Unsere Ernährungsgewohnheiten seien doch aber natürlich. Weil immer schon so gewesen. Der Mensch esse eben Tiere. Die schmeckten halt so gut. „Aber was schon immer war, ist kein Argument und lecker eine Frage der Gewöhnung.“ Erasmus ist Aktivist bei Nandu, einem offenen, überregionalen Netzwerk für politisch Aktive ganz unterschiedlicher Bewegungen. Nandu ist gegen jede Form der Machtausübung, also auch und insbesondere die gegenüber Tieren. Das Netzwerk versteht sich als Teil aller Befreiungsbewegungen. „Freiheit für alles, was fleucht“, ist der Nandu-Slogan. 2008 gründete er mit neun anderen AktivistInnen Nandu. Das Netzwerk sollte eine thematische Lücke füllen. Bei den meisten politischen Gruppierungen stünden Globalisierungskritik und ökologische Themen auf der Agenda, um Tierrechte indes kümmerte sich kaum jemand. Bis heute haben sich Nandu deutschlandweit ungefähr 180 Aktive angeschlossen, in Berlin sind es etwa 50, die einmal im Monat eine „kleine, bunte Aktion“ auf die Beine stellen. Und da trifft sich dann der emanzipatorische Kampfgeist mit purem Spaß. Bei der „Alttiersammlung“ zum Beispiel gehen die Tierbewegten durch die Straßen Berlins und bitten um gebrauchte Haustiere, „um daraus Pelze und Wurst zu machen“. Die Reaktionen der derart Befragten reichen von Ekel bis Entsetzen, erzählt der 31-jährige Aktivist, und genau das ist erwünscht. „Wir wollen auf diese kulturell bedingte Trennung von Haustieren und Fleischlieferanten hinweisen.“ Schweine und Hunde sind eben etwas anderes. Oder? Nandu will mit seinem Engagement ein Umdenken in der Gesellschaft bewirken. Zwar achten immer mehr Kunden auf ein nachhaltiges Konsumverhalten. Längst werben nicht nur Ökoläden mit dem Siegel „vegan“, sondern auch Hersteller von Putzmitteln oder Zahnpasta. Umwelt- und Sozialverträglichkeit haben einen gewissen Chic. „Fleisch ist doch irgendwie sehr Neunziger“, sagt Erasmus. Doch Nandu will noch tiefer ansetzen als bei der „Wahl des Kunden vorm Kühlregal“. Sie wünschen sich eine grundsätzliche Veränderung des Weltbilds und wollen Herrschaftsstrukturen auflösen“, sagt Erasmus. „Hörten wir auf, Tiere auszubeuten, hätten wir damit schon mal eine Form der Unterdrückung abgeschafft.“ Dass er selbst seit vier Jahren vegan lebt, ist eine logische Konsequenz dieser Überzeugung. Dafür müsse man auch gar kein leidenschaftlicher Tierfreund sein. „Ich habe zum Beispiel keinen besondern Bezug zu Kindern: Trotzdem will ich sie nicht aufessen.“ Wer beim nächsten Mal mit Nandu Alttiere sammeln mag, die nächste Pelzdemo nicht verpassen will oder Lust hat auf zivilen Ungehorsam, klicke hier: www.nandu.net

ARIANE VERENA BREYER

Tierrechtsgruppen in Berlin

Die umtriebigste Tierrechtsgruppe in Berlin ist BerTa, die Berliner-Tierrechts-Aktion. Wie Nandu setzt sie sich für die Abschaffung des „Speziezismus“, der Unterdrückung von Lebewesen aufgrund ihrer Art, ein. BerTa reicht die Forderung nach größeren Käfigen und Freilandhaltung nicht. Sie wollen die endgültige Abschaffung dieses Herrschaftsverhältnisses. Mahnwachen, Politikergespräche und Aufklärungskampagnen veranstaltet die BI „Tierversuchsgegner Berlin/Brandenburg“. Die Initiative, die in diesem Jahr 30 wird, setzt allerdings weniger tief an ans BerTa: Ihr geht es hauptsächlich um artgerechte Haltung. Mit bunten Aktionen setzt sich das Netzwerk Berlin-Vegan für Tierrechte und Tierbefreiung ein. Da werden auch schon mal AktivistInnen mit Zellophan eingewickelt und mit einem überdimensionalen Etikett versehen als Menschfleisch angeboten.

www.berta-online.org, www.tierversuchsgegner-berlin-brandenburg.de, www.berlin-vegan.de