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Archiv-Artikel

Als Piprek Wind säte

Friedliches Nebeneinander von Gentech und Bio? „Die Angst, dass das ganze Märkisch-Oderland als Gentechnikzone gesehen wird, sitzt uns im Nacken“

AUS HOHENSTEIN ULRICH SCHULTE

Der Bauer Piprek steigt vorsichtig über die Pflänzchen, die sich in Reihen bis zu entfernten Bäumen ziehen und dahinter noch weiter. „Wer das umgraben will, braucht schweres Gerät.“ 40 Hektar sind es und Jörg Piprek fällt vor all der Erde nicht weiter auf, er ist von kleiner Statur und trägt braune Jacke zu beiger Hose. Doch seine Ansichten könnten kaum mehr Aufsehen erregen im Dorf. „Den Anbau von genmanipuliertem Mais sehe ich als Chance“, ist eine davon und der Grund, dass der 44 Jahre alte Piprek sich sogar schon gefragt hat, ob sein Feld womöglich sabotiert werden könnte.

Deutsche Bauern dürfen dieses Jahr erstmals kommerziell und nicht mehr nur versuchsweise genmanipulierten Mais anbauen. Insgesamt stehen in Deutschland rund 378 Hektar davon. Piprek hat Ende April das Saatgut des US-Konzerns Monsanto ausgebracht. Das, was sein Flurstück besonders macht, ist, dass es in einem Naturpark liegt. Im Dorf Hohenstein, gut 30 Kilometer östlich von Berlin, beginnt die Märkische Schweiz, ein Vogelschutzgebiet.

Jetzt sprießt das Zeug, bereits zwei Handbreit hoch, und die Stimme des Anwohners Christoph Dünbier zittert vor Empörung, wenn er die „überfallartige Taktik“ Pipreks beschreibt. Bürgermeister Eberhard Krüger wedelt heute noch beschwichtigend mit der Hand, wenn er an die Versammlung im Gemeindehaus zurückdenkt, und der Naturschutzbund wird das Land Brandenburg verklagen. Man kann sagen, dass der Plan des Bauern Piprek dem Dorf einen nie gekannten Wirbelsturm beschert hat. Um dem „Krieg auf den Dörfern“ nachzuspüren, den die Ministerin Renate Künast vergangenes Jahr befürchtete, ist Hohenstein ein guter Ort.

Es begann damit, dass sich Piprek ins Büro der ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft unter das BASF-Poster mit dem blühenden Rapsfeld gesetzt und gerechnet hat. Gelernt ist gelernt, er ist Diplom-Agraringenieur. Der Maiszünsler hat ihm im vergangenen Jahr ein Drittel der Ernte zerstört, mit dem genmanipulierten Mais des US-Konzerns Monsanto der Kennmarke MON 810 kann das nicht passieren.

Die Monsanto-Forscher haben dem Mais ein Gen des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis eingesetzt, Stauden dieses Maises bilden wie das Bakterium ein giftiges Protein. Die Raupe des Falters, die sich tief in Blätter und Stängel frisst, kommt deshalb nicht weit. Knapp 90 Euro bezahlt Piprek pro Hektar für normale Maissaat, der manipulierte Mais kostet 23 Euro mehr. Dafür kalkuliert Piprek 40 Euro weniger für Insektizide. Der Bauer hat das Feld bestellt und dies, wie vorgeschrieben, drei Monate vor der Aussaat dem Bundesamt für Verbraucherschutz gemeldet. Dem Dorf hat er nicht Bescheid gesagt.

Die Speerspitze des Hohensteiner Ökoprotestes muss man sich als schmalen, ergrauten Künstler vorstellen. Christoph Dünbier, 46, Maler und Bildhauer von Beruf, ist samt Frau und Kindern 1993 aus Berlin herausgezogen. Er lehnt an dem ehemaligen Stall, den sie innen mit Terrakottafliesen und Echtholzküche ausgestattet haben, schaut hinüber zur Pferdewiese des Nachbarn und sagt: „Im Prinzip geht es doch darum, die Dose nicht noch ein Stück weiter zu öffnen.“ Als ein Freund ihm erzählte, dass auch Hohenstein im Standortregister der Genmais-Flächen im Internet steht, begann Dünbier zu recherchieren.

Das Prinzip der Koexistenz, das Monsanto propagiert, besagt, dass gentechnisch veränderte Pflanzen problemlos neben althergebrachtem Anbau wachsen können. Dünbier hält das für eine Lüge. Ihn ärgert, dass ein global agierender Konzern mitten im Idyll der wachsenden Ökoszene im Märkisch-Oderland Fuß fassen will. „Der Pflanze werden Eigenschaften beigebracht, die mit ihr nichts zu tun haben. Es wird unsere Natur enorm verändern, wenn wir mehr und mehr künstliche Gen-Kombinationen freisetzen.“

Dünbier hat Informationstreffen mit den Dörflern organisiert, er schickte Briefe an Jürgen Trittin in Berlin und den Landesumweltminister Dietmar Woidke in Potsdam. Der antwortete verständnisvoll, schloss aber so: „Der Anbau von MON-810-Mais liegt derzeit in der Wahlfreiheit des einzelnen Landwirts.“ Schließlich ist Dünbier von Tür zu Tür gezogen und hat gesammelt, 91 Familien aus Hohenstein unterschrieben, das sind bei rund 430 Einwohnern eine ganze Menge. Das Dorf wandte sich gegen Piprek.

Sie fürchten, dass seine wenigen Hektar erst der Anfang sind und dass an der Region künftig ein Makel haftet. „Die Angst, dass die Aufkäufer das ganze Märkisch-Oderland als Gentechnik-Zone sehen, sitzt uns im Nacken“, sagt Kirsten Ewald, die mit ihrem Mann einen Biohof bewirtschaftet und Roggen für Biobäckereien anbaut.

Piprek erwidert, dass Mais und Roggen „nun mal zwei Geschichten“ sind, der eine befruchtet den anderen nicht. Deshalb fühlt er sich für das Problem der anderen nicht zuständig. Er säte Ende April, das Fernsehen kam und ein Monsanto-Vertreter auch, den die praktisch denkenden Fernsehleute gleich mit interviewten.

Jörg Piprek gestikuliert kaum, oft ruhen seine Bauernhände, rissig und mit Dreck unter den Fingernägeln, auf dem Bauch. So sitzt jemand, der von dem, was er sagt, fest überzeugt ist. „Für mich ist entscheidend, dass der Mensch keinen Schaden nimmt.“ Seinen manipulierten Mais hat die EU geprüft und zugelassen. Eine Versicherung hat er nicht abgeschlossen, auch wenn ihn nach dem Gentechnik-Gesetz jeder Nachbar für Schäden haftbar machen kann. „Ich habe die Maßnahmen so ergriffen, dass nichts passieren kann.“ Für Sätze wie diesen braucht es Glauben, der Protestant Piprek hat auch im zweifelnden Kirchenkreis darüber gesprochen.

Er hält das Risiko für kalkulierbar, ebenso wie den Saatgutpreis. Piprek beugt sich vor, nimmt einen Kugelschreiber und zeichnet ein Rechteck, das Feld, auf ein Blatt Papier und dann einen schmalen Streifen hinein, die zehn Hektar Gentech-Mais. Ein 30 Meter breiter Gürtel aus herkömmlichen Pflanzen steht um die manipulierten. Monsanto empfiehlt 20 Meter. Pipreks Schutzgürtel soll jedenfalls jedes Körnchen Pollen des manipulierten Maises auffangen. Sie fliegen schlecht, denn sie sind schwer. Die nächsten Maispflanzen stehen fünf Kilometer weiter, der Nachbar verkauft sie als Futter, Piprek hat sich erkundigt. Und deutsche Rinder dürfen genmanipulierten Mais fressen, ohne dass es der Endverbraucher erfährt. „Jede brandenburgische Kuh frisst zwei Kilo Sojaschrot am Tag, davon sind 60 Prozent genmanipuliert. Es ist eben da“, sagt er. Seine eigene Ernte, manipulierter Mais samt gentechfreiem Schutzgürtel, wird er komplett als genmanipuliert verkaufen. Im Übrigen gebe es keine Vorschrift über die Abstände, nur eine Empfehlung vom Hersteller. Die Vorschriften hat Piprek auf seiner Seite.

Nun verhält sich die Natur nicht so ordentlich wie ein Kulistrich auf einem Notizblock. Christoph Dünbier kann lange darüber referieren, welche Studie das wie belegt. Nehmen wir nur das Tagpfauenauge. Die Larven schlüpfen zur Zeit der Maisblüte, die Wirtspflanzen, zum Beispiel Nesseln oder Ampfergewächse, stehen direkt neben dem Feld. Die Raupen fressen manipulierte Pollenkörner mit, die sich auf den Blättern abgelagert haben. Die genmanipulierte Kost bekommt ihnen schlecht, sie nehmen langsam zu, manche sterben. Und, fünf Kilometer hin, fünf Kilometer her, Rehe oder Wildschweine können Pollen noch viel weiter tragen. Dünbier erklärt und erklärt und reicht zum Kaffee Supermarkt-Milch, vermutlich kennt er Pipreks Kuhfutterinformation nicht.

Das alles ist auch eine Frage der Kultur. Die Landwirte, die zu DDR-Zeiten in Hohenstein arbeiteten, haben erlebt, wie Flugzeuge mit DDT-Fracht über das Dorf flogen. Für die Nöte des Tagpfauenauges bringen sie wenig Verständnis auf. „Die aus den großen Städten sind da ein bisschen temperamentvoller als die, die ewig hier leben“, sagt Eberhard Krüger der Bürgermeister. Vielen reichte es, Piprek die Meinung gesagt zu haben. Aber Einmischung von außen?

Dünbier, die Biobauern und der Naturschutzbund lassen die Sache nicht auf sich beruhen. Wenn die in Potsdam doch nur den 38a rechtzeitig in Landesgesetzgebung gegossen hätten. Dann stünde der Gentech-Mais jetzt nicht in Hohenstein, sagt Dünbier. Paragraf 38a des Bundesnaturschutzgesetzes schreibt vor, dass „Projekte“ wie die „Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen“ in Vogelschutzgebieten geprüft werden müssen. Ob sie sich mit dem Schutzziel vereinbaren lassen, ob sie Arten gefährden. Der Nabu lässt gerade ein Gutachten erstellen und will klagen. Hohenstein könnte zum Präzedenzfall für europäische Vogelschutzgebiete werden. Denn leuchtet es nicht ein, dass Gentech-Mais und Naturschutz nicht zusammenpassen?

In den Fluren des brandenburgischen Umweltministeriums bestimmen Paragrafen die Diskussion. „Der 38a wird überschätzt“, sagt Peter Rudolph aus der Abteilung Verbraucherschutz trocken. Selbst wenn er auf Landesrecht heruntergebrochen wäre, ließe er sich kaum auf Hohenstein anwenden. Ist von der EU genehmigter Anbau ein „Projekt“ im Sinne des Gesetzes? Reichen die paar Laborstudien, um Kausalität zu belegen? Rudolph pflückt die Aufregung Korn für Korn auseinander. Das Land scheut ein Verbot, es gibt zu wenig Antworten.

Piprek wird also ernten in Hohenstein, die Ernte kauft die Märkische Kraftfutter GmbH als Viehfutter auf. Das Angebot hat sie auch den anderen, konventionellen Bauern der Gegend gemacht, die GmbH hat dies mit Monsanto verabredet. Dünbier will sich gegen einen Anbau im großen Stil nächstes Jahr stemmen, und es klingt ehrlich verblüfft, wenn er resümiert: „Ich bin echt davon ausgegangen, dass das klappt. Dass wir das verhindern können.“