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Archiv-Artikel

Ein Park im Streit um Geschichtsdeutung

ERBE Hamburgs Bürgerschaft will die koloniale Vergangenheit der Hafenstadt neu aufarbeiten. In den letzten Jahren wurden viele Fehler gemacht

„Es gibt immer noch Menschen, die nach Afrika gehen und denken, sie müssten den Schwarzen sagen, wie die Welt funktioniert“

Kurt Hirschler, Eine Welt Netzwerk

Das Gewehr geschultert und im Gleichschritt folgen vier schwarze Soldaten einem weißen Offizier. Wulstige Stirn, dicke Nase und volle Lippen – die Gesichtszüge der Kämpfer unterscheiden sich kaum. So hat sich der Bildhauer Walter von Ruckteschell die deutsche Kolonialzeit vorgestellt – und in Ton geformt. 1938 wurde das „Deutsch-Ostafrika-Ehrenmal“ eingeweiht. Es verkörpert seither den Kolonialkult, der in der Nazi-Diktatur seinen Höhepunkt erlebte. Ehemals in einer Kaserne platziert, steht das „Askari-Relief“ heute in einem Park in Hamburg-Wandsbek.

Die Hamburger Bürgerschaft will nun das Relief ins richtige Licht rücken. Am Mittwochabend beschlossen die Fraktionen von SPD, CDU, Grünen, FDP und Linken einstimmig, die koloniale Vergangenheit der Hafenstadt aufzuarbeiten. Im Kulturausschuss des Parlaments soll ein von den Grünen eingebrachter Antrag debattiert werden, die Umsetzung des so genannten Tansania-Parks – dessen Kernstück das Askari-Relief ist – einzustellen. Mit dem jetzigen Konzept werde Hamburg „seiner Verantwortung nicht gerecht“, sagt die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Christa Goetsch.

Der Tansania-Park befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Hamburg-Jenfeld. General Paul von Lettow-Vorbeck gelangte im Ersten Weltkrieg zu zweifelhaftem Ruhm als Kommandeur der „Schutztruppe Deutsch-Ostafrika“. Seine Truppe bestand fast nur aus afrikanischen Askari, unzählige Einheimische starben.

Die Lettow-Vorbeck-Kaserne schmücken noch heute viele Kriegsabzeichen und „Helden“-Abbildungen aus der Kolonialzeit. 2003 wurde hier der Tansania-Park eröffnet, um die Vergangenheit zwischen Deutschland und Ostafrika aufzuarbeiten. Aber schon am ersten Tag kam es zum Eklat: Der angekündigte Staatspräsident Tansanias blieb der Eröffnung fern, weil er mit dem Parkkonzept nicht einverstanden war.

Den Kern der jahrelangen Kontroverse bilden Kolonialdenkmäler wie das Askari-Relief, die im Park zur Schau gestellt werden. Die Bildsprache der Denkmäler, so ist es jetzt im Antrag der Grünen zu lesen, sei „kriegsverherrlichend, diskriminierend und geschichtsverfälschend“. Die Grünen wollen nicht nur Hamburger KünstlerInnen und entwicklungspolitische Initiativen in die Aufarbeitung miteinbeziehen, sondern auch Wissenschaftler aus der tansanischen Partnerstadt Daressalam.

„Thema: Ja! Herangehensweise: Nein!“, sagt SPD-Fraktionsvize Gabriele Dobusch. Auch ihre Partei wolle sich mit der Kolonialzeit auseinandersetzen. Allerdings stecke bereits viel Arbeit im Tansania-Park: „Jetzt einfach zu sagen‚ wir lassen den Park sein, ist keine Lösung“, sagt Dobusch.

Kurt Hirschler vom Eine Welt Netzwerk (EWNW) erwartet, dass bei der Aufarbeitung der Kolonialzeit der heutige Kolonialismus unbedingt mitbedacht werden müsse: „Es gibt immer noch Menschen, die nach Afrika gehen und denken, sie müssten den Schwarzen sagen, wie die Welt funktioniert“, sagt Hirschler. Die hätten vielleicht die besten Absichten, aber der „Überlegenheitsgedanke“ sei oft noch in den Köpfen zu finden.

Das EWNW war Teil des Gremiums, das den Tansania-Park plante. Das Netzwerk ist jedoch aus Protest ausgetreten. „Die Arbeit an dem Park war nicht transparent, nicht partizipativ und nicht ergebnisoffen“, sagt Hirschler. Dem Gremium habe es einfach an Expertise gefehlt.

„Wir wollen endlich einen richtigen Weg zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes angehen“, sagt Goetsch. Ihr gehe es nicht nur um den Park, ein „gesamtstädtisches Erinnerungskonzept“ müsse her.  TIMO ROBBEN