: „Ich will in die erste Liga“
Seit vier Tagen im Amt: Kölns neuer Kulturdezernent Georg Quander will mehr Geld und eine größere Eigenständigkeit für alle städtischen Kultureinrichtungen. Das Schauspielhaus will er abreißen
VON ISABEL FANNRICH UND ROLF LAUTENSCHLÄGER
taz: Herr Quander, Sie haben kurz vor Ihrem Amtsantritt gesagt, Köln habe kulturell die Wende von 1989 verschlafen. Warum wollen Sie dann hier Kulturdezernent sein?
Georg Quander: Gerade die Versäumnisse der Vergangenheit reizen, es besser zu machen. Städte wie München, Stuttgart, Leipzig oder Weimar haben nach der Wende viel Geld in Kultur investiert, um ein Gegenzentrum zu Berlin zu bilden. In Köln aber hat man gesagt: Wir sind so, wie wir sind. In diesen 15 Jahren hat die Kulturpolitik hier keine Stringenz gehabt. Mal hieß es bei den städtischen Bühnen, sie haben zu viel Geld, mal hieß es, sie seien unterfinanziert. Das war ein ständiger Zick-Zack-Kurs.
Wo wollen Sie ansetzen, um die Stadt neu zu positionieren?
Zum einen ist es notwendig, klimatisch etwas zu verändern. Denn die Kultur in der Stadt ist nicht so schlecht wie ihr Ruf. Zum anderen verschenkt die Stadt ihr Potenzial dadurch, dass Aktivitäten nicht richtig koordiniert sind. Ich sehe zum Beispiel, dass das Opern- und das Schauspielhaus am gleichen Tag Premieren aufführen. Das kann ich schwer nachvollziehen. Ein anderes Beispiel war die erste Aufführung der Tanzcompany „Pretty ugly“, die leider mit der Eröffnung der Beckmann-Léger-Ausstellung kollidierte. Da gab es viele Leute, die gesagt haben: Wo soll ich hingehen?
Sehen Sie sich quasi in der Rolle eines Feuerwehrmanns, der überall die Brände austreten muss?
Das müssen die Institutionen schon selber tun. Ich kann Defizite beschreiben und Anregungen geben.
Reicht das in einer Stadt, wo der Oberbürgermeister, Unternehmen und Familien mit Geld wie Neven DuMont oder Oppenheim so viel Einfluss auf Kulturpolitik nehmen?
Ich habe den Eindruck, dass die Chemie zwischen Herrn Schramma und mir stimmt. Außerdem sehe ich es als einen Standortvorteil, dass es diese Familien mit Geld und Einfluss gibt.
Aber mindern das nicht auch Ihren Handlungsspielraum?
Man muss sehen, wie man das steuert und mitträgt. Es gibt hier ein Publikum oder eine Gesellschaft, die an Kunst in sehr hohem Maße interessiert ist und sich dafür inhaltlich engagiert. Und ich finde, wenn jemand von seinem Geld einen nennenswerten Betrag gibt, ist es normal, wenn er einen gewissen Einfluss nehmen will.
Beim Wallraf-Richartz-Museum (WRM) haben die Stifter es aber in Hinterzimmer-Gesprächen geschafft, dass ihr gewünschter Anteil von 49 Prozent an einer GmbH demnächst im Rat diskutiert wird. Schreckt Sie das nicht?
Das ist noch gar nicht ausdiskutiert. Wie der Betrieb privatisiert wird, muss jetzt erst vorbereitet werden. Es müssen viele juristische und personelle Probleme geklärt werden. Es gilt jetzt ein Modell zu finden, das die Interessen der Stadt und der Stifter angemessen berücksichtigt. Wenn die Stadt hier frühzeitiger reagiert hätte, würde der Stifterrat nicht so einen Druck ausüben wie jetzt. Die Stifter wollen Geld geben, und keiner will es haben.
Neben dem WRM besitzt die Stadt sieben weitere Museen, die meist finanzielle Schwierigkeiten haben. Steht für die auch eine Strukturreform ins Haus – etwa eine Teilprivatisierung?
Mein Ziel ist, die städtischen Kultureinrichtungen insgesamt zu verselbstständigen und sie aus der Verwaltung so weit wie möglich heraus zu lösen. Die Erfahrung zeigt: Wenn ich den Museumsdirektor oder den Bühnenintendanten so positioniere, dass er eigenverantwortlich wirtschaften kann, erreiche ich ein hohes Maß an Flexibilität. Die Entscheidungen können schneller getroffen werden, die Leiter der Institute können auch in Notzeiten sinnvoller entscheiden. Volle Verantwortung setzt auch Fantasie frei.
Die Erfahrung zeigt aber auch, dass dann Mitarbeiter ‚frei gesetzt‘ werden.
Eine Arbeitsplatzgarantie gibt es sowieso nicht mehr. Davon können wir uns verabschieden. Das ist kein Zukunftsmodell mehr. In meiner Zeit an der Staatsoper Berlin hatte ich einen sehr konstruktiven Dialog mit dem Personalrat, mit dem gemeinsamen Ziel, das Haus zu erhalten.
Das Museum Ludwig beansprucht für sich das Monopol für Moderne Kunst. Das WRM und die geplante Kunsthalle streben ebenfalls in diese Richtung. Wie wollen sie das Profil der drei Häuser schärfen?
Ich muss und möchte da mit den Direktoren zusammen arbeiten. Im Augenblick existieren noch viele offene Fragen, die ich mit ihnen abstimmen möchte. Das ist ist eine sehr komplizierte und teilweise auch verminte Problematik, und ich werde mit Sicherheit nicht fröhlich losmarschieren und irgendwann in die Luft fliegen. Wir werden zueinander finden müssen. Ich sehe meine Aufgabe schon darin zu führen.
Auch die Städtischen Bühnen sind eine Baustelle, weil sie unterfinanziert sind. Wo wollen Sie das Geld für Oper und Schauspielhaus hernehmen?
Der Kulturetat ist mit knapp drei Prozent in Köln niedriger als in anderen Städten. Das muss sich ändern. Der Etat muss steigen. Eine zweite Möglichkeit wären Einnahmeverbesserungen, indem man Stiftungen und private Geldgeber stärker motiviert, sich zu engagieren.
Eine Erhöhung des Etats ist Ihnen aber nicht zugesichert worden.
Das stimmt. Aber mit knapp drei Prozent können Sie wirklich nur noch ein Stück Überleben absichern.
Sind Sie für den Abriss des Schauspielhauses?
Die Theaterleute sagen, das Haus ist unglücklich. Es ist als Schauspielhaus zu groß, die Bühne ist zu breit, die Akustik ein Problem. Auch wenn der Bau von innen ganz schön ist, kann der Abriss die bessere Lösung sein.
Brauchen die Kölner Bühnen, um interessanter zu werden, hochrangige Leute wie Daniel Barenboim in Berlin?
Es geht hier um eine politische Grundsatzfrage: In welcher Liga wollen wir spielen? Im Moment werden die Bühnen wie ein Haus der dritten Liga finanziert. Dann darf man sich nicht beschweren, dass die Ergebnisse ein Stück weit dieser Liga entsprechen. Ich persönlich will gerne in die erste Liga oder – wie es in Köln über Jahrzehnte war – in der zweiten Liga spielen.
Wo bleibt bei so viel Hochkultur die freie Szene?
Die hat eine ganz andere Funktion. Sie ist für das kreative Potential einer Stadt ungeheuer wichtig und befruchtet die städtischen Einrichtungen. Außerdem ist sie immer auch ein Stück Stachel im Fleisch, das die etablierten Einrichtungen herausfordern kann.
Der Stachel sticht aber im Moment nicht mehr. Die freien Künstler wandern nach Berlin ab. Wie wollen Sie das stoppen?
Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass man bezahlbaren Atelierraum vorhält. Da stehen Kämpfe an.
Köln scheint nicht zu erkennen, welches Potenzial es mit den Künstlern hat.
Ich denke, dass es im Rat für den Erhalt von Atelierraum genug politische Unterstützung gibt. Insofern bin ich, was den Standort Köln betrifft, nicht so pessimistisch. Momentan gehen wir von einer Zielgröße von 250 Ateliers aus, teils neue, teils alte, die zu bezahlbaren Preisen vorgehalten werden sollen.
Sie setzen sich auch für den Erhalt des Clouth-Geländes als Künstlerstandort ein?
Ja, unbedingt.
Bei all den Versäumnissen der Kölner Kultur hat man das Gefühl, die Kölner interessieren doch nur für eines: Freie Sicht für den Dom.
Offen gestanden verstehe ich diese Diskussion nicht. Ich habe es mir von da hinten zwar noch nicht angeguckt. Aber eine Stadt muss auch einen Gestaltungsspielraum haben. Wenn auf dem anderen Rheinufer ein neuer Stadtteil entsteht, nimmt das dem Dom gar nichts von seiner Bedeutung. Der Dom ist so stark, dass er das aushält.