: Das Licht am Ende der Diele
Bis ins 19. Jahrhundert war die Küche vor allem durch die Feuerstelle definiert. Dann wurde sie in einem separaten Raum untergebracht. Heute gibt es zwei Varianten: die kleine Arbeitsküche und die etwas größere Wohnküche
Die uns gewohnte Aufteilung in Küche, Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer gibt es erst seit dem bürgerlichen Zeitalter. Doch selbst nachdem sich diese Wohnungsaufteilung – mit immer wieder leichten Variationen – etabliert hatte, war gerade die Küche in ihrer Funktion noch einschneidenden Wandlungen unterzogen. Heute gibt es klar unterschiedene Küchentypen, die sich an ihrer Größe und Einrichtung sofort erkennen lassen: die kleine Arbeitsküche und die etwas größere Wohnküche.
Bis ins 19. Jahrhundert war die Küche kein separater Raum, sondern vor allem durch die Feuerstelle definiert. In Norddeutschland lag das offene Herdfeuer – Wärmequelle, Kochstelle und Licht – am Ende der „Diele“, die im Mittelalter den gesamten Hausgrundriss einnahm. Der Rauch zog durch das Haus und zu den Eulenlöchern im Dach hinaus. Im 15. Jahrhundert rückte das Herdfeuer in Bürgerhäusern vor den Wandkamin, der den Rauch abführte; in Bauernhäusern fand diese Entwicklung erst verspätet im 18. Jahrhundert statt. Es war der Anfang der abgetrennten Wohnküche, in der sich das gesamte Leben abspielte.
Das Bürgertum verstand die Küche als Haushalt im weitesten Sinne: als Wirtschaftsbetrieb, der in kleinen Häusern oder ganzen Flügeln mit separatem Zugang untergebracht war. Die Küche war Ort der Dienstboten. Dort wurde gekocht, angerichtet, gereinigt. Nur die Dienstboten aßen dort. Die Frauenrechtlerin Lily Braun forderte in ihrem Buch „Frauenarbeit und Hauswirtschaft“ (1901) mit dem Einküchenhaus, die vollständige Auslagerung aus dem Wohnbereich: 60 Wohnungen ohne Küche sollten über eine Zentralküche mit einheitlichem Essen versorgt werden. Durch die Befreiung von der häuslichen Essenszubereitung sollte die Frauenarbeit befördert werden. In den Jahren 1909 bis 1912 wurde schließlich eine derartige Einküchenhausgesellschaft in Berlin realisiert, bei der neun Speiseaufzüge die Wohnungen aus dem Keller heraus versorgten.
Doch die Zukunft gehörte nicht der ausgegliederten Zentralküche, sondern der in die Wohnung integrierten Einbauküche. Als ihr Prototyp gilt die Frankfurter Küche der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky aus den Zwanzigerjahren. Dieser Promi unter den Einbauküchen war aber nicht die einzige ihrer Art. Anton Brenner entwarf 1924 eine „Wohnmaschinen-Küche“ mit einer Grundfläche von 3,91 Quadratmetern. Dagegen erscheint selbst die Frankfurter Küche mit 6,53 Quadratmetern noch geräumig. Seit den Fünfzigerjahren wurde der Platz zwar etwa großzügiger bemessen, aber die Grundidee blieb die gleiche: Jeder Schritt, jeder Griff sollte vorausberechnet und beim Bau der Küche berücksichtigt werden – Maschinendenken.
Lediglich Ikea hat Brenner noch unterboten: Die Schrankküche „Värde“ bringt die komplette Küche in einem Möbelstück unter. Doch die meisten Menschen wünschen sich die Küche als geräumigen Ort. Laut einer Umfrage von 1995 ist sie für die Deutschen nach dem Wohnzimmer der zweitwichtigste Raum in der Wohnung. Vor allem Wohnküchen liegen mittlerweile wieder im Trend. Und es darf auch gerne die Einrichtung im Landhausstil sein. Die kleinen elektrischen Helfer sowie Wasch- und Spülmaschine sollen die Arbeit im Hintergrund erledigen – während wir in der behaglichen Küche einfach nur wohnen. LK