Hilfe für Afrika – und für Blair

Globalisierungskritiker mobilisieren für den G-8-Gipfel im Juli. Dort kämpft Gastgeber Tony Blair für eine koordinierte internationale Afrika-Initiative

VON DOMINIC JOHNSON

Als Popstar Bob Geldof vor zwanzig Jahren seine Hilfsaktion für Hungernde in Äthiopien startete, war das Land eine finstere Militärdiktatur. Millionenfach trieb der Staat die Bauern mit Zwangsumsiedlungen ins Elend und verschwieg das Ausmaß des Hungers – bis das Fernsehen kam. Heute gilt Äthiopien als Musterreformer. Premierminister Meles Zenawi ist Liebling der Geldgeber, das Wirtschaftswachstum ist hoch, bei den Parlamentswahlen im Mai wuchs zum ersten Mal eine starke Opposition. Aber zugleich trommelt Bob Geldof wieder massiv für Afrika, als wäre in zwanzig Jahren nichts passiert. Eine europaweite Konzertgala „Live 8“ in vier Wochen schlägt den Bogen von 1985 bis 2005, vom Äthiopien-Spendensammelkonzert „Live Aid“ vom 13. Juli 1985 zum G-8-Gipfel der größten Industrienationen im schottischen Gleneagles vom 6. bis 8. Juli 2005, auf dem die britische Regierung massive Hilfsprogramme für den Krisenkontinent auflegen will.

Afrika hat sich in zwanzig Jahren sehr verändert – Bob Geldof nicht. Anders als noch 1985 bestreitet heute kaum noch eine afrikanische Regierung die Notwendigkeit von Demokratie, vom Kampf gegen Korruption, von Förderung der wirtschaftlichen Initiativen der eigenen Bevölkerung. Neue Mittelklassen räumen mit verknöcherten Diktaturen und starren Traditionen auf und prägen ein junges Afrika, das sich als gleichberechtigter Partner in die globalisierte Welt einfügen will. Aber internationale Experten sind sich wie eh und je einig, dass der Kontinent in einer tiefen Krise steckt und dass nur mit einem radikalen globalen Umdenken der Skandal wachsender Armut zu beseitigen ist. Auch in Äthiopien gibt es immer noch Millionen Hungernde.

Das Dilemma: Beide Perspektiven stimmen. Und beide sind zentral für die Reform- und Hilfspläne, die der britische Premier Tony Blair in seiner „Commission for Africa“ zusammen mit afrikanischen Reformern wie eben dem äthiopischen Premier erarbeitet hat und die im Juli von allen G-8-Staaten verabschiedet werden sollen. Blairs Trick: Gerade weil sich Afrika zum Positiven verändert, muss die Welt sich dort engagieren. Hilfe für Afrika ist eine Investition.

Daher verlangt Blairs Kommission eine Verdreifachung der staatlichen Entwicklungshilfe, und auch die UN-Millenniumskommission unter dem Ökonomen Jeffrey Sachs fordert eine Verdoppelung, um das Ziel der Halbierung der weltweiten Armut bis 2015 zu erreichen. Doch der Teufel steckt im Detail.

Ein großer Teil der Diskussion um höhere Entwicklungshilfe konzentriert sich allein auf die Frage der Finanzierung: eine Tobin-Steuer? Eine Flugbenzinsteuer? Aber wozu das Geld dienen soll, wird weniger thematisiert. Dabei legte erst letzte Woche das Hilfswerk „Action Aid“ eine Studie vor, wonach von der staatlichen Entwicklungshilfe der Löwenanteil in Form von Aufträgen und Beraterhonoraren gleich an die Geber zurückfließt. In Kambodscha verdienen die 740 ständigen internationalen Entwicklungsexperten fast so viel wie die 160.000 Staatsbeamten.

Um damit aufzuräumen, setzt Großbritannien seit einigen Jahren auf Budget- statt Projekthilfe: Geld fließt nicht in von außen betreute Entwicklungsprojekte, sondern in den Staatshaushalt des Empfängerlands, beispielsweise für Gesundheit und Bildung gemäß gemeinsam festgelegten Armutsbekämpfungsprogrammen. Dieser Ansatz gewinnt an Gewicht, je mehr Vertrauen die Geber in die Empfängerregierungen haben.

So setzt London nun weniger auf höhere Etats der Geberländer, sondern auf verbesserten Zugang der Entwicklungsländer zu internationalem Kapital. In diesem Vorschlag, genannt „International Finance Facility“, dienen erhöhte Entwicklungsetats der reichen Länder als Sicherheit, auf deren Grundlage arme Länder günstige Kredite von internationalen Finanzinstitutionen erhalten. Das aber lehnen die USA ab, ebenso wie Blairs Forderung eines kompletten Schuldenerlass für die ärmsten Länder – die USA wollen dafür im Gegenzug die Entwicklungshilfe senken.

Britische Medien spekulieren inzwischen über ein Scheitern von Blairs Afrika-Initiative. Klarheit soll nächste Woche ein Blair-Besuch in Washington bringen und ein G-7-Finanzministertreffen am nächsten Wochenende.

Wenn es auf diesen Treffen zum Showdown kommt, kommt Bob Geldof vielleicht doch noch zu seinem Recht. Immerhin hat er dafür gesorgt, dass Afrika Irak als Aufreger der britischen Kulturelite abgelöst hat. Geldofs Konzertgala steigt simultan in fünf G-8-Ländern (in Berlin vor dem Brandenburger Tor) am 2. Juli, und er spricht vom „größten politischen Protest der Geschichte“. Am gleichen Tag plant seine Kampagne „Make Poverty History“, die 400 Nichtregierungsorganisationen vereint und in Großbritannien 3,5 Millionen weiße Armbänder verkauft hat, in Edinburgh eine Großdemonstration. Danach wollen Protestler in Schottland den Verkehr lahmlegen. Wenn Anarchisten und Polizei sich über schottische Berge jagen, wird von Afrika nicht mehr viel die Rede sein.