: Statistik vs. Hautkrebs
Krebsregister sollen Daten zu Diagnose, Behandlung, Verlauf und Nachsorge sammeln und so Informationen für bessere Versorgung liefern
Jährlich erhalten in Deutschland rund 500.000 Menschen die Diagnose Krebs. Bei der Verbreitung der Krebsarten gibt es regionale Unterschiede. Lungenkrebs tritt bei Frauen unter 50 Jahren inzwischen in etwa so häufig wie bei gleichaltrigen Männern auf. Woher weiß man das und vieles mehr, wenn es etwa um die Überlebenschancen oder die Erkrankung von Kindern an Krebs geht?
Grundlage für solche Aussagen sind Krebsregister. Im epidemiologischen Krebsregister wird das Alter, das Geschlecht und der Wohnort des Patienten erfasst. So können regionale Häufungen festgestellt und zum Beispiel Maßnahmen zur Früherkennung eingeleitet werden. Im klinischen Krebsregister werden Daten zur Diagnose, zur Behandlung, zum Verlauf von Krebserkrankungen sowie zur Nachsorge erhoben. Seit 2013 sind die Bundesländer zum Aufbau klinischer Krebsregister verpflichtet. Ärztinnen und Ärzte müssen Informationen zu Krebserkrankungen von Betroffenen an ihr Landeskrebsregister melden.
Die Ergebnisse stehen im Bericht des Zentrums für Krebsregisterdaten des Robert-Koch-Instituts. Es hat 2023 seine 14. Erhebung veröffentlicht (www.krebsdaten.de). Von A wie Anus bis Z wie zentrales Nervensystem gibt es hier zu 30 Krebsarten detaillierte Daten: Erkrankungsrisiko, Neuerkrankungen, Sterbefälle, Überlebensrate. Sie werden nach Alter, Geschlecht, Bundesländern und einem Vergleich der Zahlen aus den beiden Jahren aufgeschlüsselt.
Beispiel Hautkrebs. Im Bericht wird zwischen dem malignen Melanom (schwarzer) und dem nicht-melanotischen (heller) Hautkrebs unterschieden. Risikofaktoren für den schwarzen Hautkrebs sind helle Haut, große Leberflecken sowie häufige und intensive UV-Strahlung durch Sonne oder Solarium. Er tritt deutlich seltener und früher als der helle Hautkrebs auf und ist gefährlicher – die relative Überlebensrate fünf Jahre nach der Diagnose liegt bei 95 Prozent. Bezogen auf die Gesamtheit der Bevölkerung trat der schwarze Hautkrebs in den Jahren 2019/2020 erstmals besonders häufig in Hamburg (bei Frauen) und in Hessen (bei Männern) auf.
In Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Bremen ist der Anteil der Neuerkrankungen bei beiden Geschlechtern in etwa nur halb so groß. Der nicht-melanotische Hautkrebs wurde 2019 in Deutschland erstmals bei 222.000 Menschen festgestellt, ihr Durchschnittsalter lag bei 75 Jahren. Die Krankheit verläuft nur selten lebensbedrohend.
Die Interpretation dieser Zahlen ist umstritten. Praktiker beklagen, dass sie nicht vollständig sind. „Es fehlen immer wieder Angaben zur Tumordicke. Der Behandlungsverlauf wird häufig von den Ärzten nicht gemeldet, das ist ein Verstoß gegen die Leitlinien. Auch Meldungen über die vorgeschriebene Nachsorge kommen bei uns oft nicht an“, sagt Tonia Brand, ärztliche Leiterin des Registerbereichs des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen. Allgemein gilt, dass mindestens 90 Prozent aller Krebsfälle umfassend von Medizinern gemeldet werden müssen, damit aus diesen Informationen wissenschaftlich belastbare Aussagen getroffen werden können. Laut aktuellem Krebsbericht des Robert-Koch-Instituts haben zwei Bundesländer diese Rate nicht erreicht – sie werden nicht genannt.
Laut Imke von Wasielewski, Leiterin des Haut-Tumor-Zentrums der Medizinischen Hochschule Hannover, werden 63 Prozent der malignen Melanome in den ersten beiden Stadien entdeckt, in denen sie noch nicht so ausgeprägt sind. Je dicker sie werden, um so mehr Todesfälle sind zu verzeichnen. „Deswegen ist ein Hautkrebsscreening wichtig, das auf die Gruppe abzielen muss, die ein hohes Risiko für Hautkrebs hat“, sagt von Wasielewski. Das gesetzliche Krebsfrüherkennungsprogramm sieht seit 2008 für Frauen und Männer ab 35 Jahren alle zwei Jahre eine Hautuntersuchung vor – Dermatologen fordern für gefährdete Personen häufigere Kontrollen.
„Der Hautkrebs nimmt massiv zu, denn die Bevölkerung setzt sich immer stärker sorglos der Sonne aus“, sagte Carola Berking, Direktorin der Hautklinik des Klinikums Erlangen, in einer Sendung des Deutschlandfunks. Dennoch sieht sie auch Hoffnung: „Früher waren bei schwarzem Hautkrebs mit einer Dicke von drei Millimeter 70 Prozent der Patienten innerhalb von zwei Jahren gestorben. Heute können 80 Prozent der Betroffenen nach einer Melanom-OP geheilt werden.“
2021 starben in Deutschland 1.236 Frauen und 1.692 Männer am schwarzen Hautkrebs und 464 Frauen und 714 Männer am hellen Hautkrebs. Joachim Göres
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