: Wie emotional Plastik doch sein kann
„Wir sind doch gar kein Plastikverein“: Mit einfacher Diplomatie versteht es Manager Thomas Strunz die Wolfsburger Fans wieder hinter sich zu bringen. Den Spießrutenlauf meistert er auch mit willkommenen Personalentscheidungen
„Dass der sich das überhaupt traut.“ „Der kommt bestimmt mit Bodyguards.“ „Zumindest sitzt der hinter einer Schutzwand.“ Die drei Mädchen vor der VW-Arena in Wolfsburg sind sich einig. Thomas Strunz, Manager der Fußballer des VfL Wolfsburg, steht ein schwerer Gang bevor. Strunz selbst hatte die Fans ins VfL-Stadion geladen. Er wollte sich nach dem Abgang von Trainer Erik Gerets den aufgebrachten Anhängern erklären.
Unter den gespannten 300 Zuhörern sind auch die Mitglieder des Fan-Clubs Silberwölfe. Die sind sich einig: Ganz freiwillig kommt Strunz nicht. „Da hat der Aufsichtsrat Druck gemacht“, sagt die Vorrednerin des Clubs. In ihren Augen liegt der Grund für die schwache Rückserie in den Reibereien zwischen Strunz, dem Aufsichtsrat und dem jüngst zu Galatasaray gewechselten Trainer Erik Gerets.
Mit „Erik Gerets“-Sprechchören und „Wir sind Wolfsburger und Du nicht“-Schmährufen wird Strunz im voll gepackten, stickigen Saal von den Fans empfangen. Die Gegenoffensive des Managers ist prompt: „Die sportliche Entwicklung ist nicht erst seit dem ich da bin negativ. Sie begann schon in der Vorrunde.“ Trotz dieser sportlichen Probleme will der Manager von einer Kluft zwischen ihm und Gerets nichts wissen. Personalentscheidungen seien immer abgestimmt worden, und in Fragen des Trainings habe er sich nie eingemischt. Verwundert gibt sich Strunz darüber, dass Gerets so schnell einen neunen Verein gefunden hat. „Die Entscheidungsstrukturen in Istanbul sind eher undurchsichtig. Es ist schwer vorstellbar, dass eine solche Trainerentscheidung in drei Tagen durchsetzbar war.“ Unterstellen wolle er dem Belgier aber nichts. Zu dessen Nachfolge sagt Strunz: „Es gab bisher zwei Kandidaten. Die Entlassung von Matthias Sammer beim VfB Stuttgart hat uns allerdings vor eine veränderte Situation gestellt.“ Veränderungen soll es nach seinen Vorstellungen im Umgang mit der Mannschaft geben. „Die Macht der Spieler muss beschnitten werden“, befindet Strunz und fügt an: „Schon in der Vergangenheit hätte mancher Spieler auf die Tribüne gemusst.“ Ein heißer Kandidat derzeit: der wechselwillige Andres D'Alessandro. Mit dem Argentinier habe man jede Woche zweimal zusammengesessen und die Zukunft geplant. „Er sagt immer: ja, okay, mach ich. Aber nach drei Tagen ist alles vergessen“, grantelt Strunz.
Zum Jubeln bringt der Manager die Massen aber erst, als er den Abgang von Thomas Brdaric zu Hannover 96 und die Verpflichtung von Stürmer Mike Hanke von Schalke 04 bekannt gibt. Höhepunkt des Stimmungsumschwungs war dann die Entdeckung eines gemeinsamen Feindbilds: Die desinteressierte Öffentlichkeit. „Die Leute kennen unseren VfL doch gar nicht richtig“, nölt einer der Fans. „Ganz genau“, findet auch Strunz, „wir sind nämlich gar kein Plastikverein hinter dem nur ein großer Konzern steht. Hier geht es emotional zu.“ Und dieser Abend soll der beste Beweis dafür gewesen sein... HSC