: Reichtum und Reduktion
Ein lautes Ja zur kurzen Form: Am Mittwoch startet das 21. Internationale Kurz Film Festival Hamburg
„Weniger ist mehr“, lautet eins der heimlichen Credos der Hamburger KurzFilmAgentur, die jährlich die Ergebnisse ihrer Wühlmaus-Aktivitäten im internationalen Kurzfilmgeschehen beim Kurz Film Festival vorstellt. Im Jahr eins nach der pompösen Begehung seines 20. Geburtstags – mit nicht immer nostalgiefreien Retrospektiven – besinnt sich das Festival diesmal wieder verstärkt auf seine Pionier-Leidenschaft.
Nachdem es um den iranischen Film in letzter Zeit etwas stiller geworden ist in Europa, kann da ein Festivalschwerpunkt zum Irak-Anrainer mit Recht schon wieder als Entdeckungsreise gelten. Die Programme zum „Fokus Iran“ zeigen mit Spiel-, Experimental- und Animationsfilmen, wie sehr die kurze Form genutzt wird, um Alltagsverhältnisse im Iran an der Zensur vorbei zu kritisieren. Einige der Arbeiten haben auch im Mo & Friese Kurzfilmfestival für Kinder Platz gefunden, das seit gestern und bis zum kommenden Sonntag schon zum siebten Mal über Hamburger Leinwände geht.
Erwachsenen kindliche Freuden bereiten dürfte indes das Sonderprogramm „Reduktion“, mit dem das „Weniger ist mehr“ in diesem Jahr auch ästhetisch durchleuchtet werden soll: Filme, die Reduktionen zum Gegenstand haben oder mit besonders reduzierten Mitteln arbeiten, watschen genussvoll die „Gürtel-enger-schnallen“-Rhetorik hiesiger Unternehmen und der beiden diesjährigen Bundesregierungen ab. Hier wird nicht der Mangel verwaltet, sondern gezeigt, dass man sich auch bei geringsten zur Verfügung stehenden Mitteln den Spaß der Subversion nicht verderben lassen muss. Ich werde dich nicht enttäuschen, eines der minimalistischen Hollywood-Remakes dieses Programms, lässt Frauen Macho-Sätze sprechen und ohne Umstand zersetzen, während Àkvarium von Lászlo Kollar in nur einer Einstellung duldsame Fische und einen verzweifelten Menschen derart aufeinander treffen lässt, dass zumindest für die Zuschauer hinterher nichts mehr wie vorher ist.
Mit Ingeborg Bachmann-Worten zieht Nach grauen Tagen, Ralf Schmerbergs Beitrag zum „Made in Germany“-Programm, gegen die Verunmöglichung eines erträglichen Alltags durch Sozialkürzungen ins Feld: Eine kinderreiche Familie erlebt darin durch das vorübergehende Verschnaufen der Mutter in einem Ballon im wahrsten Sinne des Wortes ein blaues Wunder. Das frühmorgendliche Aufstehen für einen miesen Bürojob zeigt derweil Martin Lund im Internationalen Wettbewerb als strapaziöse Trainingsaufgabe: In seiner Sportfilm-Parodie Home Game wird das Zimmer des jungen Kerls Stian zur Arena – inklusive zweier Sportkommentatoren.
Ohne Wenn und Aber, ohne jeden Sozialkorporatismus, ohne Kleinkrämerseele oder Neidhammel-Allüren, vollzieht das Festival in diesem Jahr eine Europa-Osterweiterung. Der Omnibusfilm Lost & Found vereint kurze Beiträge aus Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Estland zum Thema Generationen.
Apropos Europa – wer trifft denn nun die besseren Entscheidungen, eine Jury mit annoncierten Experten oder das Plebiszit der Zuschauer? Die feierliche Verleihung der verschiedenen Preise am Ende des Festivals wird endlich Licht ins Dunkel dieser Frage bringen, die nicht umsonst derzeit den ganzen Kontinent umtreibt. Nur eins steht jetzt schon fest. Ob Jurymitglied oder ganz normaler Zuschauer: Niemand wird alles gesehen haben können, bevor er oder sie sich ein Urteil über die Verfassung der Filme bildet – dafür ist das Programm dieses 21. Festivals einfach zu dicht.
Christiane Müller-Lobeck
21. Internationales Kurz Film Festival: 8.–13. 6., Zeise, Metropolis, Lichtmeß, B-Movie; Festivalclub: 8.–13. 6., täglich ab 22 Uhr, Harkortstr. 125; Festivaleröffnung: Mi, 8. 6., 19 Uhr, Metropolis; Preisverleihung: Mo, 13. 6., 18 Uhr, Zeise. Programm und alle Infos unter: www.shortfilm.com. 7. KinderKurzFilmFestival Mo & Friese : noch bis 12. 6., Zeise, B-Movie, Honigfabrik, Gymnasium Ohmoor, LOLA Kulturzentrum; www.moundfriese.de.