wortwechsel: Ohne Bürgerengagement keine Demokratie
taz-LeserInnen wissen, eine erfolgreiche Demokratie erfordert manchmal den Einsatz der BürgerInnen , besonders wenn sich die Spaltung der Gesellschaft abzeichnet.
Inklusion
„Wie man die Spaltung der Gesellschaft überwindet? Polarisiert euch!“,
wochentaz vom 20. – 26. 1. 24
Das Grundgesetz als Aufruf zur Polarisierung zu lesen, ist ein allemal interessanter Gedanke. Wer aber im Grundgesetzzitat mit der Aufzählung der Menschengruppen fehlt, sind Menschen mit Behinderung, deren Recht auf Nichtbenachteiligung immerhin seit 1994 im Grundgesetz festgehalten ist: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Dies nicht zu vergessen ist gerade angesichts der zunehmenden menschenverachtenden Hetze von AfD-Politiker_innen und zunehmender Gewalt gegen Menschen mit Behinderung wichtig.
Von dieser betroffen sind übrigens ebenso Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität. Dies als zu verurteilende Benachteiligungserfahrung ins Grundgesetz mit aufzunehmen ist der Bundespolitik bislang leider nicht gelungen.
Kirsten Hohn, Lübeck
In der Mitte
„Polarisiert euch!“,
wochentaz vom 20. – 26. 1. 24
Der Artikel ist Teil der Kultivierung, die wir brauchen, aber leider auch zu kurz gedacht. Die Mitte ist sehr wohl Teil der Spaltung, und die Spaltung ist auch nicht neu! Die Spaltung der Kulturen ist ein langer, langer Prozess, der sich nach der kulturellen Homogenität, besser gesagt Kompatibilität richtet, die eine Gesellschaft leistet. Und diese Kompatibilität beruht, ja, auf Werten. Diese Werte sind aber nicht einfach so entstanden, sondern in einem langen Prozess der Kultivierung. Dieser Prozess lässt sich nicht einfach mit einem „Entscheidet euch mal“ richtig lösen. Da braucht es schon langfristige und vor allem ganzheitliche Ansätze, indem man zum Beispiel begreift, das die Mitte insofern nicht existiert, als wir alle, wenn wir eine Entscheidung treffen, entweder sozial oder asozial sind. Die Mitte sind dann die Übrigen, die gewisse Konflikte, die für links und rechts relevant sind, einfach ignorieren und tabuisieren.
Christian Will auf taz.de
Bürgerengagement
„Mehr Emotionen für die Demokratie“,
wochentaz vom 20. – 26. 1. 24
„Die Regierung kann in der Demokratie nur erfolgreich wirken, wenn sie getragen wird vom demokratischen Engagement der Bürger […] Wir suchen keine Bewunderer; wir brauchen Menschen, die kritisch mitdenken, mitentscheiden und mitverantworten.“ (Willy Brandt, 1969) Was ist daraus geworden?
Für mehr Anerkennung, Zustimmung und Begeisterung der Demokratie schlage ich direkte Teilhabe, ähnlich dem Schweizer Modell, und Reformen der repräsentativen Demokratie vor. Wahlalter schnell auf 16 senken, Anreize zu höherer Wahlbeteiligung schaffen und Berufspolitikertum beseitigen, indem die Mandate und Ämter auf acht bis zehn Jahre begrenzt werden. Parallel ein repräsentatives Gremium aus Volksvertretern einführen, deren Kompetenzen gesetzlich zu regeln sind, das durch Losverfahren zusammengestellt wird. Das reformierte Bildungssystem führt in eine ausgeprägte Demokratie ein, sodass diese zu einem Selbstverständnis führt, das sogar Spaß machen kann. Unterm Strich: „Mehr Demokratie wagen“ führt zu Akzeptanz und verringert deutlich die „Demokratie- und Rechtsstaatsverachtung“. Peter Mogga, Stolberg
Soziale Ungleichheit
„Mehr Emotionen für die Demokratie“,
wochentaz vom 20. – 26. 1. 24
Die taz vermeidet es, über die Emotion zu sprechen, die von massiver ökonomischer Ungleichheit in vielen Bereichen der Gesellschaft ausgelöst wird: Wut! Zum Beispiel durch die skandalös niedrigen durchschnittlichen Renten von Millionen Bürgern oder dadurch, dass 30 Prozent der Menschen in Ostdeutschland von prekären Niedriglohnjobs leben, aber keine Chance haben, dass sich das verbessert, denn Gewerkschaften, die das mit Tarifen verbessern könnten, gibt es in ihren Arbeitsbereichen nicht. Ihnen wird angesichts von Inflation, höheren Mieten, Energiepreiserhöhungen und teuren Nahrungsmitteln angst und bange. Sollen sie sich bei der SPD für die viel zu geringe Erhöhung des Niedriglohns bedanken, da es die SPD war, die den Niedriglohnsektor erst möglich machte, der so lange ohne Protestwähler funktionierte, wie die Wirtschaft boomte und dem Staat enorme Steuereinnahmen brachte.
Kurz: Es geht nicht um das Designen von emotionalen Botschaften der Bundesregierung bei ihren politischen Maßnahmen, sondern um eine solide ökonomische Bestandsaufnahme der sozialen Ungleichheit und die Frage, wie die zu ändern ist. Lindenberg auf taz.de
AfD
„Auf die Straße“,
wochentaz vom 20. – 26. 1. 24
Falsch ist, dass AfD was mit Armut zu tun hat. AfD wird aus Protest gewählt – erst gegen Merkel, jetzt vor allem gegen die Ampel – bis auf den harten Kern aus 4 bis 5 Prozent Rechtsradikalen. Die ganzen Demos haben nichts geändert an den Wahlumfragen für die AfD. Über 84 Millionen sitzen immer noch zu Hause vor dem Fernseher. Man wird sich wie in Italien und Frankreich darauf einstellen müssen, dass die AfD bleibt und mehr wird. Das Einzige, was bleibt, ist das Verbot der Partei; ob es dafür jetzt oder später reicht, weiß man nicht.
Name ist der Redaktion bekannt
Thüringen
„Auf die Straße“,
wochentaz vom 20. – 26. 1. 24
Die demokratischen Parteien (Linke, Grüne und SPD, falls das jemand vergessen hat) in Thüringen arbeiten seit Jahren hervorragend zusammen. Was hindert sie daran, eine gemeinsame Liste gegen die Undemokraten AfD, CDU und FDP aufzustellen, die ja seit Jahren nur Politik für die reichsten 5 Prozent machen? Damit wäre ihr eigenes 5-Prozent-Problem gelöst.
Hartmut Krollmann, Düsseldorf
Verzeihen
„Der Begriff ‚böse‘ erklärt nichts“,
wochentaz vom 13. – 19. 1. 24
Gibt es das „Böse“? Und wo kommt es her? Eine der Fragen schlechthin. Da ich gerade die Ansichten Erich Fromms dazu lese, habe ich sehr interessiert auch das Interview gelesen. Und viele gute Gesichtspunkte gefunden, die ich teilen kann. Irritiert hat mich aber die starke Betonung, dass Gewalttaten zwar nicht böse, aber „unverzeihbar“ seien. Führt nicht gerade das Nichtverzeihen in die fortwährende Gewaltspirale? Angesicht erfahrener Gewalt (irgendwann) zu verzeihen, ist sicher die größte Herausforderung. Beispiele dafür gibt es aber, dass Menschen dazu in der Lage sind und dass gerade dies (langjährige) Konflikte beenden kann. Manfred Nedler, Dortmund
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