berliner szenen: Ganzgierig nach Glück
Auf die Silvesterparty meiner Freundin K. brachte ich vor allem Glück mit. Zwei Packungen mit insgesamt zwanzig golden verpackten Glückskeksen für etwa 12 Partygäste, die sofort im neuen Jahr geöffnet werden sollten. Es ging los mit reichlichem Buffet und einem Kühlschrank voller Bier, Sekt, Gin und Tonic. Da es sich bei Gesprächen besser trinkt als isst, trank ich fast so viel, wie ich redete, und war gegen Mitternacht schon recht betrunken, sodass ich am nächsten Tag nicht mehr wusste, was auf meinem Glückskekszettel stand.
Ich schrieb meinen Freundinnen und fragte sie, ob sie es noch wüssten. M. antwortete direkt: „Leider nein. Meinen hab ich heute noch in meiner Hosentasche gefunden. „Antworte mit deinem Herzen.“ Und K. schrieb: „Ich hatte irgendwas mit meinen Kolleg*innen, krieg’s aber auch nicht mehr ganz zusammen.“ K. schlug vor, die übrig gebliebenen Glückskekse zu unserem nächsten Frauenstammtisch wenige Tage später mitzubringen, und vergaß das dann, bot aber an, zu Hause einen für mich zu öffnen – der würde dann für 2024 zählen.
T., die auch auf der Silvesterparty dabei gewesen war, gestand: „Ich habe gleich fünf Kekse geöffnet. Nach meinem letzten Reinfall-Jahr war ich ganz gierig nach Glück.“ T. konnte sich an all ihre Sprüche erinnern, weil sie kaum Alkoholisches getrunken hatte, was daran lag, dass sie auf der letzten Silvesterparty so tief ins Glas geschaut hatte, dass sie beim Gehen hinfiel und sich einen Bänderriss zuzog. Als ich nach unserem Stammtisch wieder zu Hause war und im Bett lag, schaute ich kurz auf mein Handy. Eine Nachricht von K.: „Eva, ich habe einen Glückskeks für dich aufgemacht.“ Dazu ein Foto von einem Glückskekszettel: „Eine angenehme Veränderung wartet auf dich.“ Erleichtert schlief ich ein.
Eva Müller-Foell
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen