Doku über Ndrangheta: Heimat Mafia
Wie läuft der institutionelle Kampf gegen die organisierte Kriminalität in Deutschland? Ein MDR-Film bringt uns auf den neusten Stand.
Ein einsamer deutscher Amtsrichter, für den sein italienisches Stammlokal „ein kleines Zuhause“ ist und der Wirt ein Freund, mit dem man über Sport und Familie spricht – und warum dann auch nicht über Probleme mit der deutschen Justiz, bisschen Drogenhandel, da hilft man doch gern.
Der Richter ruft gleich vom Handy des Wirts einen Anwalt an, das BKA hört mit – und nein, das ist lange nicht die ganze, irre Posse: Die bekamen die Mitglieder des Mafia-Untersuchungsausschusses des Thüringer Landtags am 21. November dieses Jahres in Erfurt zu hören; und wer sich den MDR-Film „Gangsterjagd – Polizei im Kampf gegen die Mafia“ ansieht, bekommt sie nun via TV serviert.
Margherita Bettoni, Ludwig Kendzia und Axel Hemmerling bringen mit ihrem Report ein breites Publikum auf Stand, was sich im Bereich Antimafia auf der polizeilich-juristischen, in zarten Ansätzen auch auf der politisch-gesellschaftlichen Ebene getan hat, seitdem die italienische Mafia ’Ndrangheta 2007 mit dem Massaker von Duisburg blutig in die deutsche Öffentlichkeit getreten ist.
Kendzia und Hemmerling sind dabei selbst historischer Teil dieses Aufklärungsprozesses: Mit ihrem 2015 ausgestrahlten und umgehend einkassierten Film „Die Provinz der Bosse – Mafia in Mitteldeutschland“ setzten sie die Erfurt-Connection der ’Ndrangheta ins Schlaglicht. Sie sind sich und dem Thema treu geblieben, nicht ohne juristische Rückschläge, aber beharrlich, mutig und nüchtern.
„Polizei im Kampf gegen die Mafia“, in der Reihe „Exakt – Die Story“, ARD-Mediathek
Freund von Freunden
Der Protagonist des damaligen Films, der auch gegen die Berichterstattung der taz klagte, sitzt inzwischen in Italien in Untersuchungshaft.
Die Mafia ist noch hier, und zwar deswegen, weil die Produkte und Dienste, die sie anzubieten hat, nachgefragt werden, von Deutschen in Deutschland, und sei es in Form eines kuscheligen Ambientes für einen Richter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Krise der Ampel
Lindner spielt das Angsthasenspiel