: Eisen, das Gold zu schützen
MUSEUMSSOMMER (IV) In Büdelsdorf bei Rendsburg stand einst Norddeutschlands größte Eisenhütte. Inzwischen wird hier ausgestellt, was sich aus dem Metall künstlerisch so alles machen lässt
Heutzutage verschleudern die Banken virtuelle Vermögen. Einst lag reales Geld in massiven Schatztruhen wie der Goldlade der „Rendsburger Spar- und Leihcasse“: Mit zwei unter allegorischen Ornamenten unsichtbaren Schlössern sollte sie auf Dauer die Einlagen schützen. 1842 gestiftet, musste sie später vom Schrottplatz fürs Museum gerettet werden. Museen sind ja die heutigen Schatzhäuser – je weniger bekannt, vielleicht umso mehr.
Auch Büdelsdorf ist zu entdecken, die Nachbarstadt von Rendsburg. Dort stand mit der 1827 gegründeten, 1997 geschlossenen Carlshütte die größte Eisenproduktion Norddeutschlands. Ihr Gründer, Marcus Hartwig Holler, war der Stifter der eisernen Goldlade, die nun gegenüber den alten Fabrikgebäuden steht: Im Eisenkunstguss-Museum, einem Flachdachbungalow mit Innenhof, findet sich in sieben Räumen alles, was mit Gusseisen unterhalb von Architektur künstlerisch zu machen ist. Kern der Sammlung ist die heimische Produktion des 19. Jahrhunderts: Das Museum basiert auf der Schenkung von Käte Ahlmann, deren Familie die Carlshütte leitete. Sie stiftete 1960, zu ihrem 70. Geburtstag, ihre weit über eine Firmensammlung hinausgehende Kollektion und dazu den Museumsbau. Die Eröffnung 1963 erlebte sie nicht mehr. Auch Josef-Severin Ahlmann, ihrem 2006 verstorbenen Sohn, lag das Museum am Herzen: Er vermachte dem inzwischen als Außenstelle der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen geführten Haus eine zweistellige Millionensumme. Damit soll nun ab 2011 das in seiner kompromisslosen Ziegel-Glas-Architektur wieder geschätzte Gebäude renoviert und die Sammlung neu aufgestellt werden – ist doch die derzeitige, 20 Jahre alte Präsentation, ehrlich gesagt, etwas bieder.
Doch es gibt viel sehen und zu lernen. Schon seit dem Mittelalter gab es die Technik, Holzreliefs nach druckgrafischen Motiven in ein Lehm- oder Sandbett zu pressen und die Form dann auszugießen: So wurden Kamin- und Ofenplatten hergestellt. Erst 1784 wurde im Lauchhammer-Werk in der Niederlausitz ein Wachsausschmelzverfahren entwickelt, das auch den qualitätvollen Guss künstlerischer Freiplastiken ermöglichte. Seitdem wurde Eisen in jede denkbare klassizistische und neogotische Form gebracht, diente historistischem Prunk und ergoss sich in die Schwünge des Jugendstils. Nützliches oder vorgeblich Nützliches – wie Circulier-Öfen und Waffeleisen, Briefbeschwerer und Taschenuhrenhalter, Plaketten und Medaillen, Leuchter und Kopien antiker Figuren, Toilettenspiegelhalter und Grabschmuck – wurde in Mengen produziert. Auch Vorbilder für Schreibtisch oder Kaminsims waren per Katalog zu bestellen: Statuetten und Büsten von Gutenberg und Luther, Schiller und Goethe (der in Weimar selbst gusseiserne Statuen aufstellen ließ), von Kaiser Wilhelm oder auch dem Eutiner Komponisten Karl Maria von Weber.
Eisen war geduldig genug, die Aufladung mit preußischem Patriotismus zu vertragen. Erinnert sei an die erstmals am 10. März 1813 von König Friedrich Wilhelm III. gestiftete Kriegsauszeichnung, das „Eiserne Kreuz“. Oder die in den Befreiungskriegen gegen Napoleon erfundene Kampagne „Gold gab ich für Eisen“: Sie bewirkte, dass der als „Fer de Berlin“ bezeichnete preußische Eisenschmuck der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in seiner Feinheit als unübertrefflich galt. Heute, am Ende der Eisenzeit, arbeiten Künstler nur selten mit Gusseisen. Den beeindruckend filigranen Schmuck aus Gusseisen nachzumachen oder weiterzuentwickeln ist so unüblich, dass nicht mal die im Museum erhältlichen Repliken aus Eisen sind – sondern aus geschwärztem Silber. HAJO SCHIFF
Eisenkunstguss-Museum, Glück-Auf-Allee 4, Büdelsdorf